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Möglichkeit für den Leser, die Aufzeichnungen mit Empathie zu begleiten.

Insbesondere immanente Fakten des Lazarettalltages lassen sich aus dem Tagebuch herauslesen
: So sind beispielsweise Aussagen, wonach die Lazarette im Handumdrehen eingerichtet
und einsatzbereit gewesen wären, zu relativieren. An Szenen, wie sie im Kapitel „Nächtlicher
Überfall" beschrieben werden, wird deutlich, dass, wo Seife, Handtücher und ein Herd fehlen,

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noch nicht von Lazarettalltag gesprochen werden kann. Die reibungslose Organisation der
Militärverwaltung muss auch aufgrund der folgenden Notiz Annis im Kapitel „Kriegssonntag"
relativiert werden:

Unterdessen waren Sendungen vom Militair gekommen. Ratlos standen die Damen
drum rum. 10 Kohlenkästen mit Zange und Schaufel, und im ganzen Haus nur Zentralheizung
.^

Sehr bedauerlich ist natürlich, dass die Autorin in ihrem „Ersten Buch" zwar den französischen
Verwundeten Devaux mit seiner Sicht auf den Ausbruch des Ersten Weltkrieges zu

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Wort kommen lässt, dies jedoch nicht weiter kommentiert. Was sie selbst von dieser Darstellung
gehalten hat, bleibt vollkommen im Dunkeln, auch wenn eine freundschaftliche Zuneigung
aus den Zeilen spricht. Auch die Weiterentwicklung der jungen Frauen, die als Schwestern
gearbeitet haben, wird wenige Seiten vorher thematisiert. Zunächst empfanden die Mädchen
Angst und Scheu gegenüber den ausländischen Patienten, doch dann kommt es bald zu
Annäherungen.32 Anni werden diese ersten Kontakte zu den französischen Patienten sicherlich
durch ihren Aufenthalt in Vevey und ihre Fremdsprachenausbildung in der Haushaltsschule
erleichtert. Doch nicht nur die Schwestern, auch die verletzten deutschen Soldaten gehen im
Lazarett teilweise auf ihre Feinde vom Feld zu und zeigen sich in Anni Aschoffs Schilderungen
ganz verdutzt, als ihnen klar wird, dass diese genauso kleine Männer sind, die ebenfalls

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nur für ihr Vaterland gekämpft haben.

Durch die distanzierte Haltung Annis im „Ersten Buch" und den recht kurzen Zeitraum des
„Zweiten Buches" ist es fast unmöglich eine angemessene Einschätzung ihrer persönlichen
Entwicklung zu geben. Jedoch lässt sich am Anfang noch durchaus etwas Jugendliches in ihrem
Erzählen erkennen. Wie sie beispielsweise amüsiert über den Einzug und die Missgeschicke
der Pfadfinder und Mädchen berichtet, hinterlässt beim Leser den Eindruck eines Abenteuers
im Sommer'.

Dem gegenüber machen die Aufzeichnungen im „Zweiten Buch", die immer öfter auch Tod
und Grauen beinhalten, traurig und betroffen. Einziger Lichtblick scheint der ,Lungenschuss'
zu sein, von dem sie zwar liebevoll spricht, doch nie seinen tatsächlichen Namen nennt - hatte
sie vielleicht Angst, jemand könnte ihre Aufzeichnungen lesen, oder will sie ihn mittels der
medizinischen Diagnose (Lungenschuss) auf Distanz halten?

Die Tagebücher und ErinnerungsSchriften vergangener Generationen lassen Eindrücke und
kurze Einblicke in jene Zeiten zu, deren Deutung jedoch aus dem Hier und Jetzt immer spekulativ
bleiben wird.

Ebd., Z. 87ff. Vgl. Christian Geinitz: Kriegsfurcht und Kampfbereitschaft, Essen 1998, S. 291.
Deutsches Tagebucharchiv e.V. Emmendingen, 2001/I., Z. 57-59.
Ebd., Z. 193-208.
Ebd., Z. 161ff.
Ebd., Z. 172-176.

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