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tungsvollen Mitarbeiter in leitender Stellung ist dies tief verletzend. Das bedeutet auch die
Reduzierung des monatlichen Einkommens zuerst auf 150, dann auf 200 RM; Steuern und
Sozialabgaben fallen noch an. Zwangsläufig erfolgt der Umzug in eine preiswertere Wohnung.

Dann wird zur gleichen Zeit sein Schwiegersohn von der Frankfurter Allianz entlassen -
ebenfalls aus „rassischen Gründen". Unter dem Eindruck der sozialen und beruflichen Diskriminierung
zieht der 33-Jährige umgehend die Konsequenzen und wandert noch im selben Jahr
in die USA aus, in der Hoffnung, die Familie werde in Bälde nachkommen. Vorerst kehrt Luise
Drewienka mit ihrem Sohn in die elterliche Wohnung nach Freiburg zurück. Ihr Aufenthalt
hier soll nicht nur das finanzielle Polster für die eigene Auswanderung anreichern, sondern
auch die Eltern vom Nutzen eines solchen Schrittes für sich selbst überzeugen.

Aber der Versuch Luises, in Freiburg eine Arbeitsstelle zu finden, scheitert - wegen ihrer
jüdischen Abstammung. Nun werden alle Anstrengungen dem Projekt ihrer Emigration unterstellt
. Und diese gelingt: Am 21.4.1938 schiffen sich Luise und Peter Drewienka auf der
„Hamburg" der Hamburg-Amerika-Linie ein mit dem Ziel New York, wo sie am 1. Mai 1938
ankommen.

Jetzt entschließen sich auch die Eltern zur Auswanderung. So verbuchen sie die Gelder, die
als regelmäßige Unterstützungen von Bruder Ernst Besag aus Baden-Baden kommen, auf ein
imaginäres Konto „Emigration Amerika"; ganz konkret dann Adolf in einem Brief an das Badische
Finanz- und Wirtschaftsministerium vom 8.12.1938: Obwohl die Auswanderung von
mir und meiner Frau von der noch unbestimmten Visumserteilung abhängt, habe ich offene
Schiffsplätze einschließlich Bordgeld mit RM 1.025,00 bezahlt. Ich war vier Jahre im Felde,
war Frontkämpfer und stehe im 66. Lebensjahr.4 Noch im Frühjahr 1941 - beide Ehepartner
waren glücklicherweise von den Deportationen nach Dachau und Gurs verschont geblieben -
erfolgen beträchtliche Zuwendungen von verwandtschaftlicher Seite aus den USA, um die
Chance des letzten Augenblickes wahrzunehmen. Doch sie kann nicht genutzt werden: Die
Vergabe von Einreisepapieren und die Reservierung von Schiffspassagen nach den USA ist der
übergroßen Nachfrage in all den Jahren nicht gewachsen. Besags haben keine Chance. Der
Kriegseintritt der USA im Dezember 1941 hat dann diese Option endgültig zerstört.

Johanna und Lotte Meyer - Rettungsanker Schweiz?

Am 18. Dezember 1939 erhalten Johanna und Lotte Meyer einen angekündigten Besuch von
der Gestapo Freiburg. Sie ist beauftragt, in ihrer Wohnung nach Vermögenswerten zu suchen;
denn beide Damen - Mutter und Tochter, die seit knapp zwei Jahren in Freiburg wohnhaft sind
- bemühen sich intensiv um eine Emigration in die Schweiz.5

Ins Visier der Polizei ist auch die umfangreiche Volksliedsammlung Lotte Meyers geraten;
jetzt läuft sie Gefahr, ihr entrissen zu werden. Prof. John Meier, Leiter des Deutschen Volksliedarchivs
(DVA) in Freiburg und mit Lotte seit langen Jahren bekannt, erfährt von dem Vorgang
: Als mir die Beschlagnahme der im Besitz von Frl. Meyer befindlichen Volksliedliteratur
bekannt wurde, habe ich Dr. Seemann zu ihr entsandt, um womöglich Eingriffe in schwererer
Form zu verhüten.6 Seemann, als Mitarbeiter Meiers ein Wissenschaftler von Rang, ist ein
Mann von beeindruckender Körpergröße. Jetzt verhindern seine Anwesenheit und sein energisches
Auftreten ein drohendes, anmaßendes Verhalten der Herren der Gestapo den beiden Da-

4 StAF,F 196/1-02196.

Deutsches Volksliedarchiv Freiburg, S 02040 (Volksliedsammlung Lotte Meyer, handschriftliche Liedaufzeichnungen
). In der Beilage befinden sich Dokumente zur Biografie der Sammlerin.
Schreiben Meiers an Prof. T. Epstein, Berlin, vom 12. September 1947, ebd.

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