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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2014/0108
er sich - durchaus berechtigte - Hoffnungen, der achte Erzbischof von Freiburg zu werden, doch
mit der Ernennung von Conrad Gröber und dessen Amtsantritt am 8. Juni 1932 waren diese
Hoffnungen zunichte. Das Verhältnis zwischen Gröber und Sester war, vorsichtig ausgedrückt,
angespannt, doch Gröber saß als Erzbischof am längeren Hebel und entmachtete Sester rasch
und ziemlich vollständig - was das persönliche Verhältnis der beiden natürlich nicht verbesserte.
Bald darauf verschlechterte sich Sesters Gesundheitszustand drastisch, und seit etwa 1936 befand
er sich in psychiatrischer Behandlung. Joseph Sester verstarb am 12. Dezember 1938 in der
Heilanstalt Rottenmünster - ziemlich genau ein dreiviertel Jahr bevor die Nazis damit begannen,
auch die dortigen Patienten im Rahmen des „Euthanasie"-Programms zu ermorden.

Anfang 1922 jedoch, als er es mit den widersetzlichen Stiftungsräten von Ehrenstetten
zu tun hatte, war Sester ein aufstrebender, aber bereits recht starker Mann in der Freiburger
Kirchenbehörde. Den ersten Teil seines Vorschlags setzte das Ordinariat am 30. März 1922 um,
als es den Stiftungsratsmitgliedern mitteilte, man sehe sich genötigt, ihnen eine ernste Rüge
zu erteilen mit dem Anfügen, daß wir für dieses Mal von einer gerichtlichen Verfolgung dieser
schweren Beleidigung unseres Vertreters nur deshalb abgesehen haben, weil wir annehmen wollen
, daß Sie sich der Tragweite Ihres Schreibens nicht in vollem Umfange bewußt waren. Und
auch der zweite Teil von Sesters Drohung ging in Erfüllung, musste Ehrenstetten doch noch fast
40 Jahre warten, bis es im Jahr 1961 endlich zur Pfarrei erhoben wurde.32 Ganz so furchtbar war
die Rache der gekränkten Kirchenobrigkeit in der Praxis freilich nicht ausgefallen, denn 1934
machte Erzbischof Gröber Ehrenstetten immerhin zur Pfarrkuratie, was sich für die Gemeinde
im Alltag fast genau so anfühlte, als ob sie damals schon zur Pfarrei geworden wäre.

Es wäre nun sicherlich zu kurz gesprungen, wollte man aufgrund dieser Vorfalle die
Ehrenstetter pauschal als renitent und unangepasst bezeichnen. Es waren wohl vor allem die
seinerzeitigen Stiftungsratsmitglieder, allen voran Bürgermeister Barth, die sich mit dem neuen
Pfarrer von Kirchhofen nicht vertrugen und sich in kirchlicher Hinsicht vom Nachbardorf
emanzipieren wollten, und die nicht bereit waren, zu allem, was die Freiburger Kirchenbehörde
verlangte, Ja und Amen zu sagen. Solch eine Haltung lag damals, in den frühen 1920er-Jahren,
natürlich in der Luft, hatten die Deutschen doch gerade eben erst ihre Fürsten abserviert und
machten erste Gehversuche als Republikaner und Demokraten. Und zu einem politisch mündigen
Bürger gehört nach demokratischem Verständnis nun einmal, dass er nicht alles stillschweigend
und unwidersprochen hinnimmt, nur weil es „von Oben" kommt, sei dieses „Oben" nun
staatlich oder kirchlich.

Dass es in Ehrenstetten aber vielleicht doch schon vor 1920 Einzelne gab, die nicht ganz
so lautlos und geradlinig „funktionierten", wie die Obrigkeiten es gern gehabt hätten, wird bei
einem kurzen Blick in die Kirchenvisitationsakten deutlich. Kirchenvisitationen, das sind jene
Kontrollbesuche in den einzelnen Pfarreien, bei denen in regelmäßigen Abständen überprüft
werden soll, ob alles mit rechten Dingen zugeht. Diese Beaufsichtigung der „Basis" gibt es in der
Kirche im Prinzip schon von Anfang an - man denke nur an die Reisen und Briefe des Apostels
Paulus. Im Lauf der Jahrhunderte ist diese Überwachung mal mehr, mal weniger streng durchgeführt
worden.33

Mit dem Konzil von Trient aber, das von 1545 bis 1563 tagte, begann die zunehmende
Standardisierung dieser Kontrolle. Grund dafür - wie überhaupt für das Konzil - war die

Amtsblatt für die Erzdiözese Freiburg, 1961, S. 374.

Zur Geschichte der Kirchenvisitationen insgesamt, und speziell im Bistum Konstanz, dem Ehrenstetten
bis zur Errichtung des Erzbistums Freiburg angehörte, vgl. beispielsweise Anton Gössi/Josef Bannwart:
Die Protokolle der bischöflichen Visitationen des 18. Jahrhunderts im Kanton Luzern (Luzerner
Historische Veröffentlichungen 27), Luzern/Stuttgart 1992, S. 13-33.

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