Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2014/0152
Mengele 1954 und im selben Jahr die erneute Eheschließung Irene Mengeies mit dem Freiburger
Kaufmann Alfons Hackenjos.3

Der von Böhme in Auftrag gegebene „Schnellbericht" erwies sich im Kontext einer neuen
Sach- und Nachrichtenlage im Juni 1985 dennoch als schon bald überholt. Die journalistische
Anfrage vom 1. Juni erging, kaum zufällig, nur wenige Tage vor einer in den amerikanischen und
europäischen Medien verbreiteten Sensationsnachricht. Am 6. Juni 1985 wurde vor laufenden
Fernsehkameras auf dem Friedhof „Nossa Senhora do Rosario" der brasilianischen Stadt Embu
bei Säo Paulo eine männliche Leiche exhumiert, bei der es sich, wie es hieß, um die sterblichen
Überreste des seit 1959 wegen tausendfachen Mordes und medizinischer Verbrechen in
Auschwitz, mit internationalem Haftbefehl zuletzt von der Staatsanwaltschaft Frankfurt 1981
gesuchten, ehemaligen SS-Arztes handelte. Dieser sei bereits 1979 bei einem Badeunfall im
Küstenort Bertioga gestorben und unter dem falschen Namen seines Fluchthelfers Wolfgang
Gerhard beerdigt worden. Augenblicklich überschlugen sich die Ereignisse und auch Freiburg
geriet in den grellen Fokus der internationalen Medien. Amerikanische, englische, belgische,
französische, schweizerische und deutsche Fernsehteams, Fotografen und Zeitungsjournalisten
belagerten am 11. Juni 1985 die Kanzlei Rolf Mengeies in der Rotlaubstraße, um ein Interview,
Bilder oder am besten beides zu bekommen.4 Angesichts der Ereignisabfolge an den Tagen davor
musste den sogenannten „gut informierten Kreisen" der Freiburg-Bezug Mengeies längst bekannt
gewesen sein, vor allem aber die Tatsache, dass sowohl der Mengele-Sohn als auch dessen
Mutter in Freiburg lebten. Von Rolf Mengele, von dem nun post festum zu lesen war, dass er seinen
Vater 1977 - mit einem gefälschten Reisepass - in seinem brasilianischen Versteck besucht
hatte,5 sah und hörte man an diesem Tag in Freiburg freilich nichts. Stattdessen ließ er in einer
Presseerklärung aus München verlauten, er habe keinen Zweifel, dass der Leichnam, der auf
dem Friedhof in Embu, Brasilien, am 6. Juni 1985 exhumiert wurde, die sterblichen Uberreste
[s]eines Vaters seien. Und wie beiläufig fügte er noch hinzu, dass er sich bereits 1979 in Brasilien
persönlich über die Umstände seines Todes vergewissert habe. Den fragwürdigen Umstand, dass
die Mitglieder der Mengele-Familie in Freiburg und Günzburg auch noch den Tod Josef Mengeies
über Jahre geheimzuhalten versucht hatten, entschuldigte Rolf Mengele 1985 lapidar mit der
Rücksichtnahme auf Mengeies südamerikanische Fluchthelfer, Sympathisanten und Asylgeber
for the last 30 years, zuletzt Gitta und Geza Stammer, sowie Lieselotte und Wolfram Bossert.
Die späte und knappe Erklärung, die Rolf Mengele in Vertretung durch seine Sprecherin und
Schwägerin Sabine Hackenjos vor Journalisten verlesen ließ, endete - sechs Jahre nach dem Tod
Mengeies - mit bloßen Worthülsen: Alle Opfer seines Vaters und deren Angehörige hätten sein
tiefstes Mitgefühl.6

Dass die neue Sachlage Freiburg und seinen Oberbürgermeister 1985 so unvermittelt und
unvorbereitet traf, mag daran gelegen haben, dass dem Thema ,Mengele in Freiburg' davor nur

Heute Stadtarchiv Freiburg (StadtAF), Einwohnermeldekarte Josef Mengele, geb. 16.3.1911 in Günzburg;
die Karte wurde vermutlich im Zusammenhang mit der Wiederanmeldung Irene Mengeies erst 1949 oder
später angelegt; Einwohnermeldekarte Irene Mengele, geb. Schoenbein, wiederverheiratete Hackenjos, geb.
4.8.1917 in Leipzig, vermutlich anlässlich der Neuanmeldung 1949 angelegt und bis etwa 1985 aktualisiert;
Einwohnermeldekarte Rolf Mengele, geb. 16.3.1944 in Freiburg.
Vgl. Joachim Sterz: Warten auf Rolf Mengele, in: Badische Zeitung v. 15.6.1985.

Darüber hatte der französische Rechtsanwalt und Historiker Serge Klarsfeld die Staatsanwaltschaft in
Frankfurt bereits 1984 informiert, ohne dass diesem Hinweis nachgegangen worden war; vgl.: James M.
Markham: Body is Mengele's his son declares, in: New York Times vom 12.6.1985.

Zit. nach: New York Times (wie Anm. 5). Vgl. ferner die von Rolf Böhme angelegte Sammlung der Presseartikel
zum Fall Mengele im Jahr 1985: StadtAF, Kl/146a Sammelband 1, Mengele in Freiburg.

150


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2014/0152