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Das Banale und das Böse - Mengele zwischen Freiburg und Auschwitz

Josef Mengele wartete nach seiner Versetzung zum SS-Ersatzbataillon „Ost" in Berlin seit Februar
1943 vermutlich auf einen weiteren Einsatzbefehl an die Ostfront. Nach seiner letztmaligen
Beförderung zum SS-Hauptsturmführer (20. April 1943) wurde er jedoch vom Führungshauptamt
der Waffen-SS am 24. Mai 1943 und mit Wirkung zum 30. Mai 1943 zum Wirtschafts- und
Verwaltungshauptamt (WVHA), Amtsgruppe D III, Lagerhygiene und Sanitätswesen, versetzt,
was für Mengele bedeutete: Inmarschsetzung zum K.L. Auschwitz b. Kattowitz, Meldung beim
Lagerkommandanten.64 Im neu eingerichteten „Zigeunerlager" B He in Auschwitz-Birkenau war
der ab März 1943 eingesetzte Lagerarzt Benno Adolph erkrankt ausgefallen. Mengele, der im
Einflussbereich Verschuers am KWI zumindest „daneben" beschäftigt war, mag mit Unterstützung
seines Mentors und Förderers für diese „Dienststelle" ins Gespräch gebracht und positioniert
worden sein, hat sich möglicherweise aber auch selbst dafür beworben.65 Mit Geldern der
Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) setzte Verschuer in Berlin seine Frankfurter Eugenik
-Projekte am KWI fort, für die er nun das Ansehen des KWI und die Unterstützung durch
den Reichsgesundheitsführer Leonardo Conti und Hitlers Begleitarzt Karl Brandt auszunutzen
wusste. Schließlich wurden sieben Projekte Verschuers bei der DFG geführt, darunter Erbpathologische
Forschung, Spezifische Eiweißkörper, Augenfarbe und Zwillingslager.66 Seinen von
der Front zurückgestellten Frankfurter Assistenten Mengele, dessen sich Verschuer nun wieder
annahm, muss er irgendwann zu Beginn des Jahres 1943 von den „eugenischen" und „anthropologischen
" Forschungsmöglichkeiten überzeugt haben, die er im KZ Auschwitz-Birkenau offenkundig
gegeben sah und die das Vernichtungslager nachgerade als Außenstelle des KWI erscheinen
ließen. Dem alten und neuen Verschuer-Assistenten Mengele dürfte Auschwitz dabei als großes
und außerdem bestens ausgestattetes „Versuchslabor" anempfohlen worden sein, das ihm im
Rahmen seines projektierten Habilitationsvorhabens uneingeschränkt zur Verfügung stünde, um
das für seine Menschenversuche nötige „Material" bedenkenlos zu gewinnen. Dass sich Mengele
in Auschwitz in besonderem Maße der Zwillingsforschung und Spezifischen Eiweißkörpern widmen
sollte, ist kaum zufällig und spricht ebenfalls für die Einflussnahme Verschuers, der seine
Forschungsaufträge in diesem Bereich wie erwähnt über Forschungsgelder der DFG finanzierte
und an Mengele in Auschwitz weiterleiten sollte.67 In seiner Tätigkeit als Truppenarzt der SS-
Division „Wiking" im Dienst für verwundete und erkrankte SS-Soldaten an der Front, auch noch
in seiner wie auch immer zu bewertenden Nebentätigkeit am KWI in Berlin Anfang 1943 hätte
man Mengele, abgesehen von seiner „geistigen Täterschaft" als Vertreter der NS-Rassenideologie
und Eugenik, mehr oder weniger noch in Übereinstimmung mit der grundsätzlichen ärztlichen
Ethik begreifen können, an die er als Arzt nach dem auch von ihm geleisteten Eid des Hippokra-
tes gebunden war.68 Als Lagerarzt in Auschwitz-Birkenau jedoch vollzog SS-Hauptsturmführer
Dr. phil. et Dr. med. Mengele den endgültigen und irreversiblen Bruch mit den Prinzipien des

Zit. nach Völklein (wie Anm. 10), S. 92.
Vgl. Benzenhöfer (wie Anm. 20), S. 239.

Vgl. Ernst Klee: Auschwitz. Täter, Gehilfen, Opfer und was aus ihnen wurde. Ein Personenlexikon, Frankfurt
a.M. 2014, S.414f.

Vgl. Zdenek Zofka: Der KZ-Arzt Josef Mengele. Zur Typologie eines NS-Verbrechers, in: Vierteljahreshefte
für Zeitgeschichte, Jahrgang 34, 2/1986, S. 245-267, hier S. 254f.

Der Wortlaut: „Ich werde die Grundsätze der Lebensweise nach bestem Wissen und Können zum Heil der
Kranken anwenden, dagegen nie zu ihrem Verderben und Schaden." Vgl. Hippokrates: Von der Heiligen
Krankheit und andere ausgewählte Schriften. Eingeleitet und neu übertragen von Wilhelm Capelle, Zürich
1955, hier S. 21 lf. („Hippokratischer Eid").

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