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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2015/0010
Die Identität des Ratsschreibers kann nicht bestimmen werden, doch trifft man auf seine
Handschrift in anderen amtlichen Dokumenten der Zeit durchaus. Sie zeichnet sich durch
eine komprimierte Buchstabengröße und eine aufrechte Federführung aus. Von den in diesem
Zeitraum in Freiburg namentlich nachweisbaren Händen ähnelt die Handschrift allenfalls der
des Stefan Kissinger, der zwischen 1507 und 1537/38 als Kaufhausschreiber amtierte.3 Da ein
solcher Schreiber sich mit religiösen Belangen kaum befasst haben dürfte, scheidet er wohl aus.
Die Sprache des Schreibers ist das in dieser Zeit übliche Alemannische, wobei die deutschen Bibelzitate
ebenfalls auf Alemannisch gebracht werden. Obwohl ein Textpassus die Markus-Stelle
(Markus 16,15), wie sie Luther in seinem Neuen Testament Ende 1522 übersetzt hat, in alemannischer
Mundart wörtlich wiedergibt, muss dies nicht heißen, dass der Text erst um die Jahres-
wende 1522 entstanden sein kann, denn andere Ubersetzungen ins Deutsche, die Anklänge an
diejenige Luthers aufweisen, waren längst im Umlauf.

Obgleich Peter P. Albert das Protokoll kannte, unterließ er es dennoch, dieses in seinem
umfangreichen Aufsatz über „Die reformatorische Bewegung zu Freiburg bis zum Jahre 1525"
auszuwerten.4 Darin findet sich lediglich ein Hinweis auf den jungen Arzt und geborenen Freiburger
Gregorius Frauenfeld, der am Allerheiligentag (1. November) 1522 eine Predigt des Magisters
Georg Keck über die Heiligenverehrung kritisiert haben soll. Wegen ungebührlichen Benehmens
wurde Frauenfeld daraufhin gefangen genommen und nur auf Fürbitte seiner Mutter
und seiner Gattin wieder freigelassen.5 Ob Frauenfeld als Verfasser des Bekenntnisses in Frage
kommt, wird unten zu erörtern sein.

Der erste Artikel (d.h. Anklagepunkt), für den sich der beschuldigte Bürger zu verantworten
hatte, erwuchs aus seiner Behauptung, der Münsterprediger habe das Evangelium mit Menschenlehren
„vermengt und verdunkelt". In seiner Rechtfertigung beruft sich der Befragte auf
die Kirchenväter, die der Priester falsch verstanden habe, namentlich Augustin und Hieronymus
, die er nicht im Original, sondern aus dem „Decretum Gratiani" zitierte.6 Ferner meint er
festzustellen zu können, dass sich Kirchenkonzilien und Päpste widersprochen oder geirrt hätten
. Dann geht er zur konkreten Kritik an einzelnen Punkten über, wobei er ausführlich aus dem
Neuen Testament, aber auch aus dem Alten (Bücher Mose, Jesaja, Ezechiel, sogar Baruch aus
den Apokryphen) Belege angibt. Insgesamt verwirft er im ersten Artikel vornehmlich die Anrufung
der Heiligen, ja die Wirksamkeit eines fürsprechenden Religionsverständnisses überhaupt.

Im zweiten Artikel wendet sich der Angeklagte gegen die Werkgerechtigkeit. Er führt insbesondere
die Aussagen des Apostels Paulus in seinen Episteln an die Galater und Römer an,
die auf die allein durch Jesus Christus vermittelte Gnade verweisen, welche Luther zum Grundstock
seiner Theologie gemacht hat. Beide Artikel sind vorwiegend auf Deutsch verfasst, doch
werden die abgekürzten Passagen aus dem „Decretum Gratiani sowie gelegentlich Zitate aus
dem Psalter, Jesaja, Lukas und Johannis auf Latein wiedergegeben.

Siehe die Schriftproben bei: Ulrich Zasius ,Geschichtbuch' der Stadt Freiburg im Breisgau. Eine Sammlung
exemplarischer Einzelfälle zur städtischen Politik, Rechts- und Verwaltungspraxis im Spätmittelalter
, hg. von Hans Schadek, Bd. 1: Text, bearb. von Hans Schadek unter Mitwirkung von Michael
Aumüller (Veröffentlichungen aus dem Archiv der Stadt Freiburg im Breisgau 40/1), Freiburg 2012, S.
225-247, hier S. 246.

Peter P. Albert: Die reformatorische Bewegung zu Freiburg bis zum Jahre 1525, in: Freiburger Diö-
zesan-Archiv 46 (1919), S. 1-80.

Ebd., S. 41-42. Den Fundort dieser Aussage gibt Albert nicht an. Es handelt sich indes um StadtAF, AI
XV Aa 1522 November 14, Urfehde des Gregorius Frauenfeld.

Eine Ausnahme bildet die Randglosse, die Hieronymus' Brief an Papst Damasus I. über den ungebührlichen
Gebrauch von Aristoteles' Argumenten zitiert.

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