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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2015/0062
möglich.31 Die erste Fastnachts-Inszenierung der Ära Speckle ist 1798 erwähnt: Die Studenten
sangen im Konvent das Singspiel Esther. Das jüdische Mädchen Esther, das der Perserkönig
Ahasveros (= Xerxes) zur Frau nimmt, ist neben Susanna und Judith die dritte große Frauengestalt
des Alten Testaments. Die recht gewalttätige Geschichte von Blutvergießen und Rachsucht,
die im Laufe der Jahrhunderte zu vielfacher dramatischer Bearbeitung anregte, lässt eher an ein
erbauliches Lehrstück oder an ein Drama als an eine Fastnachtskomödie denken. Wesentlich
lustiger ging es zu, als die St. Petermer Klosterschüler zusammen mit den Klosterbrüdern am
Fastnachtsmontag 1802 die Sache selbst in die Hand nahmen: Am Montag produzierten die
fratres und Studenten allein eine türkische Musik, worin sie sich unter Anleitung des fr [Frater/
Bruder] Jakob seit einiger Zeit mit einem kindischen Eifer vereint hatten und es doch ohne
anderweitige Instruktion soweit darin gebracht hatten, daß sie einige Stücke ganz artig produzieren
konnten. Sie übertrieben zwar in der Hitze ihren Eifer einige Male, doch mußte ich ihnen
die Freude lassen. Am Dienstagabend gingen wir um 3A auf 6 Uhr, was bisher nicht gewöhnlich
war, zu Tisch, weil einige Sänger noch ein paar Lieder beim Klavier singen wollten. Ich ließ
auch das nicht ungern geschehen. Eine Tagebucheintragung Abt Speckies über eine heitere
Singspielaufführung bei der Prämienausteilung am Schuljahresende im Herbst 1800 lässt sich
auch auf die Fastnachtsbelustigungen der Klosterschüler übertragen: Die Fröhlichkeit bei dieser
Veranlassung ward freilich sehr gehemmet durch die Nachrichten, die immer wahrscheinlicher
werden, daß der Krieg nun aufs neue werde anfangen?2 In diesen Jahren politischer und sozialer
Umwälzungen, welche nicht nur die Existenz des Klosters bedrohten, konnte solche studentische
Fröhlichkeit nur notdürftig die Ängste der Erwachsenen überdecken.

Bacchanalien 1806: Wurst und Käse

Die letzte Fastnachtsaufführung in der traditionsreichen Geschichte des St. Petermer Schultheaters
wurde 1806, im Jahr der Säkularisierung der Abtei, ohne Bühnenaufbau mehr improvisiert
als inszeniert. Sie stand ganz im Zeichen der Kriegswirren der Zeit, denn im Kloster war
Militär einquartiert: Am 18. Febr. Fastnachtdienstag [...] Nachmittag führten die Studenten ein
kleines Schauspiel auf, jedoch nur in der Schule, weil ich wegen den Soldaten, deren Abzug man
nicht vorsah, kein Theater wollte aufrichten lassen. Uber diese Soldaten eines Jägerkorps, die
aufdringlich nach dem Tischwein aus dem Konvent verlangten, beklagt sich Ignaz Speckle bei
ihrem Offizier bitter: Sie lärmten, sangen, pfiffen in der Abtei wie die Buben. Ich sagte dem Offizier
, er möchte ihnen sagen, daß wir eben kein Wirtshaus seien. So endet 1806 mit der Abtei St.
Peter auch die Geschichte ihrer einst aufwendigen klösterlichen Fastnachtsfeiern kläglich und
chaotisch mit einem flüchtig dargebotenen kleinen Schulspiel und unter dem Gejohle, Lärmen
und Pfeifen betrunkener Soldaten.

In der Zeit nach der Aufhebung des Klosters St. Peter wird an Fastnacht aus dem einstigen
Festmahl der Bacchanalien nun wirklich eine mäßige Tafel, vor allem aber verrät sich dem St.
Petermer Abt Speckle gerade in diesen Tagen, wie sich die klösterliche Disziplin seiner ehemaligen
Konventualen unaufhaltsam auflöst. Er versucht, dem entgegenzuwirken: Dahier, um eine
Fastnachtslustbarkeit zu veranlassen und Exzesse bei den Geistlichen zu hindern (wie schon
etwas geschehen war, da P Ignaz mit den Vikaren Fastnacht halten wollte, dazu den Amtsschreiber
, seinen Bruder, und den ehemaligen Togaten Kraft nebst ein paar Mädels einlud und tanzen
ließ) lud ich alle Geistlichen und Herrn Leo zu mir auf ein Spiel ein, gab dazu das erstemal nur

Ebd., S. 289-291.

Speckle (wie Anm. 1), 20.2.1798, 1.3.1802 und 3.9.1800.

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