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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2015/0080
„Drey Wiener = Sonderlinge.

,0 Buchhändler: was seyd ihr für
zwitterhafte Kerlchen.'

Fr. Nicolai.55

Man wird nothwendig sehr alt; man schweift in den Jahrhunderten herum. Uber Leute
schreiben aber läßt sich discreter Weise doch nicht eher, als bis sie todt sind. Man hat schon
über Personen geschrieben, die bereits 30, 40 Jahre nicht mehr am Leben. Man sieht einen
jungen Menschen von 17 Jahren, der sich nicht gut aufführt. Man droht ihm, dereinst über ihn
zu schreiben. Dieß geschieht nach 30, 40 Jahren, denn so lange noch lebt er. Man muß also
nothwendig auch so lange gelebt haben. Auf diese Art verlängert man sein Leben. Das ist die
wahre Macrobiotik. Man wartet vielleicht sogar, bis diesem oder jenem interessanten Ehepaar
ein Sprößling geboren wird, über den man dann schreiben will, wenn er selbst wieder Sprößlinge
gehabt hat; aber todt muß er seyn; todt. Man methusalemisirt so fort; man lebt ewig.

Man hatte sich vorgenommen, über Binz, über Haselmayer,56 über Kupffer57 zu schreiben,
vor 30, 40 Jahren, da sie noch in voller Thätigkeit waren. Diese 30, 40 Jahre sind vorbey. Jetzt
her mit ihnen!

Binz

Sey gegrüßt! Du warst ein Mann von Stoff. Du hattest, wie man zu sagen pflegt, Etwas gelernt,
und nicht erst im Alter, wo man es nicht mehr brauchen kann, nicht als lediglicher Routinier,
was gar kein Verdienst. Du hattest Facultäts=Kenntnisse; in Freyburg recht gut Philosophie
studirt, solltest gar die Professur des Griechischen in Constanz annehmen,58 schlugst sie aber
aus, um nach Wien zu gehn. Thatest recht! Fleißig studirtest Du da Medizin; machtest Dir alte
und neue Sprachen eigen. Das war schön und gut von Dir; übtest dich ein in Literargeschichte, in
Bücherkunde; lauter Dinge, die der Buchhändler damahls noch brauchte. Das sahst Du ein, ge-

Gräffer zitiert einleitend den bekannten Schriftsteller, Satiriker, Verleger, Herausgeber und Verlagsbuchhändler
Christoph Friedrich Nicolai (1733-1811), der als Hauptvertreter der Berliner Aufklärung gilt.
Einführende Literatur: Werner Jung: Artikel „Nicolai, (Christoph) Friedrich", in: Killy Literaturlexikon.
Autoren und Werke des deutschsprachigen Kulturraumes, Bd. 8, 2., vollst. Überarb. Aufl., Berlin/New
York 2010, S. 571-574 (mit Literatur).

Gemeint ist der Wiener Antiquar, Buchhändler und Verleger Franz Haselmayer (um 1754-1833), über den
nur wenig bekannt ist. Einführende Literatur: Frank/Frimmel (wie Anm. 8), S. 75.
Gemeint ist der Wiener Antiquar, Auktionator, Buchhändler, Nachdrucker, Kommissionär und Verleger
Karl Franz Kupffer/Kupfer (um 1776-1837). Einführende Literatur: Ebd., S. 109f.

Gemäß brieflicher Mitteilung von Frau Dr. Juliane Kümmell-Hartfelder (Universitätsarchiv Konstanz)
vom 17.1.2014 könnte es sich bei dieser Professur um ein Lehramt an dem im Jahr 1604 von den Jesuiten
im Zuge der Gegenreformation gegründeten Konstanzer Gymnasium (das heutige Heinrich-Su-
so-Gymnasium) handeln, das in erster Linie Grundlagen für den weltgeistlichen und ordensgeistlichen
Nachwuchs legen sollte. Eine briefliche Anfrage bei der besagten Schule (Januar 2014) führte bislang
zu keinem Ergebnis. Am Rande sei bemerkt, dass der mit der Familie Binz verschwägerte Jakob Frick
(1748-1816) im ausgehenden 18. Jahrhundert als Professor für Dogmatik und Kirchenrecht sowie als Prä-
fekt der Bibliothek des Konstanzer Gymnasiums bezeugt ist. Ob Fricks Konstanzer Aktivitäten mit der
gescheiterten „Berufung" des Johann Georg Binz in Zusammenhang zu bringen sind, wäre eingehend zu
prüfen. Zu Jakob Frick und seinem sozialen Umfeld siehe Bärmann: Eine Bestellung (wie Anm. 1), S. 99,
Anm. 40.

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