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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2015/0082
lieh todt) trägt ihm die prätiosesten Xylographien62 an: Biblia pauperum,63 ars moriendi,64 ars
memorandi,65 historia virginis,66 speculum salvationis,67 sämmtlich noch unzusammengeklebt,
unbeschnitten, alle in einem einzigen Band von Eisen mit Buckeln; verlangt 200 fl.68 Binz gibt
sie nicht. Speiser offerirt sie mir; ich staune, daß Binz diesen Schatz fahren läßt. Ich kaufe sie,
wünsche mir Glück. Sie waren 2000 werth.

Binz hatte Magazine in verschiedenen Häusern, ein großes auf dem Dachboden des Freyhauses
, wo er wohnte.69 Er hatte selbst auch einige Häuser, hielt aber damit geheim.70 Eines Tags
verräth er sich selbst. Es ist eine Feuersbrunst. Ach ruft er: am Hause selbst wäre mir weniger
gelegen; aber die Bücher, die Bücher!71

Gräffer meint hier offensichtlich Holzschnitte. Der Kontext gibt zu erkennen, dass es sich bei dem im
Folgenden beschriebenen Überlieferungsträger um ein sogenanntes „Blockbuch" oder Holzschnittbuch
gehandelt haben dürfte. Einführende Literatur: F[erdinand] Geldner: Artikel „Blockbücher", in: Lexikon
des Mittelalters, Bd. 2, München/Zürich 1983, Sp. 281f. (mit Literatur).

Eine sogenannte „Armenbibel". Einführende Literatur: G[isela] Plotzek-Wederhake und G[ünter]
Bernt: Artikel „Biblia pauperum", in: Ebd., Sp. 109f. (mit Literatur).

Wörtlich: „Die Kunst des Sterbens", ein christliches Erbauungsbuch des späten Mittelalters. Einführende
Literatur: R[ainer] Rudolf u.a.: Artikel „Ars moriendi", in: Ebd., Bd. 1, München/Zürich 1980, Sp. 1039-
1044 (mit Literatur).

Wörtlich „Kunst des Erinnerns", „Kunst des Gedächtnisses", ein im vorliegenden Zusammenhang nicht
präzise bestimmbares Werk der Lernliteratur, das häufig im Überlieferungskontext von Blockbüchern
erscheint.

Nicht präzise bestimmbares Werk, möglicherweise ein Marienleben.

Wörtlich „Heilsspiegel", eigentlich „Spiegel des menschlichen Heils", ein christliches Erbauungsbuch des
späten Mittelalters. Einführende Literatur: G[unhild] Roth, M[anfred] Markus und M[arion] Grams-
Thieme: Artikel „Speculum humanae salvationis", in: Ebd., Bd. 7, München 1995, Sp. 2088f (mit Literatur
).

Abkürzung für „Florin". Gemeint ist die Währungseinheit „Gulden".

Die hier verwendete Bezeichnung Freihaus bezieht sich nicht etwa auf ein einzelnes Gebäude, sondern
auf einen großen Wohnkomplex in der Wiener Vorstadt Wieden (heute 4. Wiener Gemeindebezirk), der
bereits im 17. Jahrhundert erbaut worden war. Zu Gräffers Lokalisierung passt, dass die Binz'sche Nachlassakte
des Jahres 1824 (wie Anm. 9) als Adresse des Verstorbenen auf der Wieden N:° 1. nennt. Von
besonderer kulturgeschichtlicher Bedeutung ist das Freihaus nicht zuletzt deshalb, weil hier 1787 das
sogenannte „Freihaustheater" (offiziell: „Theater auf der Wieden") errichtet wurde, wo am 30.9.1791
Mozarts Oper „Die Zauberflöte" ihre Uraufführung erlebte. Als Leiter des Theaters fungierte seit 1789
Emanuel Schikaneder (1751-1812), der auch das Libretto zum genannten Bühnenwerk verfasste. Der Vollständigkeit
halber sei noch darauf hingewiesen, dass für jenen Johann Schratt, den wir als Enkel des
Johann Georg Binz kennengelernt haben und der die nachgelassenen Bücher seines verstorbenen Großvaters
in den Handel brachte, für das Jahr 1844 als Wohnadresse „auf der Wieden im Freyhause, 1. Hof, lOte
Stiege, Tür 72" nachweisbar ist. Ob Johann Schratt direkt oder indirekt ein Nachmieter seines Vorfahren
war, ließ sich bislang nicht klären. Siehe wieder Hupfer (wie Anm. 12), S. 39.

Gräffers Hinweis lässt sich zumindest anhand verschiedener Immobilien, die in Baden lokalisierbar sind
und sich in späterer Zeit im Besitz von Rosalia und Anton Binz nachweisen lassen, verifizieren. Hierzu
siehe bereits oben, Anm. 26f Zu weiteren (in Wien lokalisierbaren) Häusern, für die Eigentumsrechte des
Johann Georg Binz dokumentiert sind, siehe die folgende Anm.

In der Binz'schen Nachlassakte (wie Anm. 9) ist u.a. ausdrücklich von seinem wehren Magazine im abgebrannten
Hause an der Wien die Rede (o.R), was grundsätzlich für die Historizität der von Gräffer mitgeteilten
Anekdote spricht. Die genaue Lage dieser Brandruine lässt sich bislang leider nicht bestimmen,
da für Binz darüber hinaus noch ein weiteres Magazin in dem Kupferschmidt Binzischen Hause an der
Wien bezeugt ist (ebd.). Letzteres könnte mit dem Anwesen Nr. 81 an der Wien identisch sein, das ebd.

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