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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2015/0084
Schliessen in den wohlfeilen Grünangerkeller,74 auf ein halbes Seitel (36er).75 Er war knochig,
groß, blond; in der Jugend schön; im Alter, den Kopf ganz gesenkt, nicht häßlich. Der Anzug,
uralte, vergilbte Kleider, voll Staub und Schmutz und Flecken und Löcher, die Schleppschuhe,
das schreckliche Jabot:76 das Ideal der entsetzlichsten Vernachlässigung, eines Callot77 würdig.
Etwas minder unerträglich ging sein dick= und schiefköpfiger bornirter Sohn einher; wortkarg
gegen den Vater, mißtrauisch, furchtsam, ohne einen Kreuzer in der Tasche, überall witternd
des Vaters Schlauheit, ihn öconomisch zu hintergehn, wovon ein göttliches Beyspiel dieses:
,Tonerl, da ist Spagat;78 geh hinauf und hohle die Bücher, welche ich gekauft.' Nun wird man
glauben: Hinauf! Auf den hohen Markt,79 auf die hohe Brücke80 oder so etwas dergleichen.
Tonerl natürlich meint auch so etwas, fragt aber: Wohin, hinauf Papa? Der Papa, wie ein wenig
zerstreut, sagt: ,Nu Tonerl, weißt Du denn nicht? Zum Eurich81 hinauf, nach Linz; weißt Du, in
Oberösterreich, Tonerl. Da hast Du zwey Gulden; komm aus damit Tonerl. Unterwegs lade Dich
ein dort und da bey Unsresgleichen und Buchbindern; man kennt überall unsern Nahmen. Geh
Tonerl, geh!4 Tonerl roch jetzt den Braten, denn nur solche Braten bekam er zu riechen. Tonerl
stutzt, knirscht, gehorcht. Nach einiger Zeit kam er mit den Büchern zurück, die er oben beym
Eurich gehöhlt und hatte noch 15 kr.82 erspart. Was ihn aber ingrimmig geärgert: Der Papa hatte
ihn eine halbe Stunde vor der Mittagszeit hinauf geschickt nach Linz. Auch das noch!

Und sollte man glauben, dieser Mann, dieser Vater, war auch wohlthätig. Der nicht sich
selbst, nicht seinem leiblichen Kind auch nur das Allernothwendigste vergönnte, derselbe Mann
unterstützte Dürftige mit barem Gelde, und insgeheim, wie ein redlicher Christ; armen Studierenden
gab er Bücher umsonst; bey wohlthätigen Zwecken, z. B. in Gremialsachen war er die
Großmuth selbst.

Welche Räthsel! Eigenthümlich ganz ä l'anglaise. Binz wurde 76 Jahre alt. Starb 1824."83

Gemeint ist das seit den 1780er-Jahren nachweisbare italienische Restaurant „Zum grünen Anker" hinter
dem Stephansdom, in dem eine ganze Reihe illustrer Gäste wie etwa der Komponist Franz Schubert
(1797-1828) einzukehren pflegte.

Zu diesem Wiener Flüssigkeitsmaß siehe bereits oben, Anm. 72. Ein halbes Seitel entsprach etwa 0,176
Litern. Binz konsumierte somit, wenn wir Gräffer Glauben schenken dürfen, in der besagten Lokalität
nicht einmal zwei Zehntel Wein!

Gemeint ist die Brustkrause am Herrenhemd, ein Kleidungsstück der damaligen Zeit.
Gräffer spielt hier offensichtlich auf den bekannten französischen Stecher und Radierer Jacques Callot
(1592-1635) an. Möglicherweise besteht hier eine implizite gedankliche Verbindung zu dem oben, Anm.
61, erwähnten Dichter E. T. A. Hoffmann, hatte dieser doch 1814/15 eine Sammlung von „Fantasiestücken
in Callots Manier" veröffentlicht.

Im süddeutschen Sprachraum ein geläufiger Ausdruck für „Schnur".

Gemeint ist der Hohe Markt, nördlich des Wiener Stephansplatzes (im 1. Wiener Gemeindebezirk Innere
Stadt) und damit unweit des Binz'schen Buchgeschäfts im Zwettlhof gelegen.
Gemeint ist die Hohe Brücke im 1. Wiener Gemeindebezirk Innere Stadt.

Gemeint ist jener Friedrich Emmanuel Eurich, der seit 1795 im oberösterreichischen Linz als Geschäftsführer
in der 1793 von Binz erworbenen Buch- und Kunsthandlung gearbeitet und diese dann im Jahr
1801 übernommen hatte. Hierzu siehe bereits oben, Anm. 52.

Zu dieser Währungseinheit siehe bereits oben Anm. 73. 15 Kreuzer entsprachen 0,25 Gulden.
Zitiert nach: Franz Gräffer: Kleine Wiener Memoiren: Historische Novellen, Genrescenen, Fresken,
Skizzen, Persönlichkeiten und Sächlichkeiten, Anecdoten und Curiosa, Visionen und Notizen zur Geschichte
und Characteristik Wien's und der Wiener, in älterer und neuerer Zeit, T. 2, Wien 1845, S. 18-23.
Es folgen nun, wie zu Beginn des Textes bereits angekündigt, teilweise recht unterhaltsame Textabschnitte
, die Franz Haselmayer (S. 23ff.) und Karl Franz Kupffer/Kupfer (S. 25-29) porträtieren. Zu diesen
beiden Persönlichkeiten siehe bereits oben, Anm. 56f.

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