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den Organisationen der Krankenpflege, wie sie seit der Gründung des Internationalen Roten
Kreuzes im Jahr 1863 und der Badischen Frauenvereine im Jahr 1859 - auch „Luisen-Frauenvereine
" genannt - gerade in Baden wie Pilze aus dem Boden geschossen waren. Darin waren die
Zuständigkeiten zwischen Militärbehörden, öffentlichen Verwaltungen und Institutionen der
Krankenpflege genau definiert worden.4 Zu guter Letzt konnte das Kriegslazarettwesen bei
Kriegsausbruch auch auf die Erkenntnisse und Innovationen der modernen Medizin seit den
1870er-Jahren zurückgreifen, wo insbesondere die Bakteriologie und die Entwicklung des Rönt-
genapparates für große Fortschritte bei der Diagnose von Krankheitsursachen gesorgt hatten.5

Zumindest auf dem Papier waren das Deutsche Reich und das Land Baden auf dem Feld
der Verwundetenpflege also gut auf den Ernstfall eines großen Krieges vorbereitet. Folgt man
den Verantwortlichen für das Freiburger Lazarettwesen im Ersten Weltkrieg, schienen sich die
Vorbereitungen, die man in Friedenszeiten für den Krieg getroffen hatte, im Krieg in der Tat
voll auszuzahlen. So stellte der Vorsitzende des Ortsausschusses vom Roten Kreuz in Freiburg,
der Althistoriker Ernst Fabricius, in seiner allgemeinen Einführung zu den Freiburger Heimatlazaretten
im 1915 von Lorenz Werthmann herausgegebenen Buch „Die Freiburger Lazarette
im Völkerkrieg 1914/15" fest, dass die Versorgung der Verwundeten und Kranken „auf das allerbeste
geschehen" sei.6 Für Werthmann selbst, den Präsidenten der deutschen Caritas, war das
Freiburger Lazarettwesen aber noch mehr: Es war Chiffre für einen neuen vaterländischen Gemeinschaftsgeist
. Die kommenden Geschlechter, schrieb Werthmann im Vorwort des Buches,
würden einst „mit Erbauung und Ergriffenheit lesen, wie in schwerer Zeit alle Deutsche eines
Sinnes zusammenstanden und, ohne Rücksicht auf Parteizugehörigkeit oder religiöse Richtungen
, vereint ihr Bestes taten zur Pflege und Heilung der kranken und verwundeten Soldaten".7

Doch war dem wirklich so? Funktionierte das Freiburger Lazarettwesen im Ersten Weltkrieg
tatsächlich so reibungslos wie von seinen zeitgenössischen Protagonisten behauptet? Zogen
städtische Verwaltung, Bürgerschaft und Armee bei der Organisation und Verwaltung des
Kriegslazarettwesens tatsächlich in patriotischer Einmütigkeit an einem Strang? Oder handelte
es sich bei solchen Schilderungen um jene Verleugnung bzw. Beschönigung der wahren Verhältnisse
, wie sie für die zeitgenössische Wahrnehmung des Ersten Weltkriegs, zum Beispiel
bei der Bewertung der militärischen Lage des Deutschen Reiches, charakteristisch sind? Diese
Frage wird im folgenden Beitrag in vier Abschnitten beantwortet. Zunächst wird auf den Aufbau
, die Organisation und die Leistungsfähigkeit des Freiburger Kriegslazarettwesens eingegangen
. Anschließend werden der Alltag in den Lazaretten und die sich daraus ergebenden
Konflikte zwischen Militärführung und zivilen Kräften geschildert. Im dritten Abschnitt wird
das Verhältnis zwischen Heeresführung, Stadtverwaltung und Hilfsorganisationen im Bereich
der Verwundetenversorgung beschrieben. In dem darauffolgenden wird geschildert, wie sich im
Freiburger Kriegslazarettwesen kollektive Kriegsmentalitäten sowie allgemeine gesellschaftliche
Strukturen und Einstellungen des späten Kaiserreichs spiegeln. Die Erkenntnisse über das
Freiburger Lazarettwesen im Ersten Weltkrieg, die durch die Beantwortung dieser Fragen gewonnen
werden können, dürften dabei aufgrund des Status von Freiburg als einer der zentralen
Lazarettstädte des Deutschen Reiches auch von überregionalem Interesse für die Historiografie
des Ersten Weltkriegs sein.

Vgl. ebd., S. 22f., 26-28, 43-52 und 72-77.

Vgl. ebd., S. 17; Gerhard Hotz: Ärztliche Erfahrungen aus einem deutschen Reservelazarett, 1915 (ohne
Ort), S. 5f. (Sonderdruck eines Aufsatzes für das „Correspondenz-Blatt für Schweizer Ärzte 1915, Nr. 1",
hier S. 5. Der Sonderdruck befindet sich im Stadtarchiv Freiburg [StadtAF], C3/775/4).
Die Freiburger Lazarette im Völkerkrieg 1914/15, hg. von Lorenz Werthmann, Freiburg 1915, S. 5.
Ebd., S. III (Vorwort).

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