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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2015/0097
Der Wunsch von Militärführung und leitenden Ärzten, die Rekonvaleszenz der Patienten
auch in psychologischer Hinsicht zu unterstützen und die Stimmung der Verwundeten durch die
Gewährung eines möglichst angenehmen Umfelds zu heben, erwies sich deshalb bald als janus-
köpfig. Immer wieder kam es zu Klagen, dass die gute Behandlung der Verwundeten in den
Heimatlazaretten zu einer Senkung der allgemeinen Kriegsmoral und damit der Schlagkraft des
Heeres führe. In einem Inspektionsbericht an das Sanitätsamt des XIV Armeekorps vom 15.
Juli 1916 konstatierte beispielsweise der besichtigende Arzt für das Reservelazarett Realgymnasium
einen unausgesprochenen Pakt zwischen leitenden Ärzten und Patienten: Sein Haupteindruck
sei, dass ein Teil der Patienten in unbegründeter Weise zu lange im Lazarett verbleibe.
Auch bei kriegsverwendungsfähigen Soldaten führe man längere Zeit Behandlungsmethoden
durch, die keinen Erfolg mehr versprechen würden. Er habe deshalb beim Generaloberarzt der
Lazarett-Zentrale angeregt, die ordinierenden Arzte zu einer ausführlichen Begründung für die
Fortführung der Therapie zu verpflichten, wenn die Behandlung eines Kranken länger als zehn
Wochen dauere. Auch könne man die leitenden Ärzte noch einmal explizit daraufhinweisen, die
Kuren in nicht zwecklos langer Weise auszudehnend

Noch deutlicher wurde der Althistoriker Ernst Fabricius, der neben seiner Funktion als Vorsitzender
des Ortsausschusses vom Roten Kreuz auch noch als Delegierter der Reservelazarettzentrale
Freiburg gegenüber der Karlsruher Landesregierung fungierte, in einem Schreiben, das
er bereits am 25. Dezember 1914 an den Territorialdelegierten der freiwilligen Krankenpflege
für Baden, Minister Freiherr von und zu Bodman, verfasste. In diesem Bericht, auf den schon
Christian Geinitz in seiner bahnbrechenden Studie über das sogenannte „Augusterlebnis" in
Freiburg aufmerksam gemacht hat,55 beklagte sich Fabricius in drastischen Worten über den zu
laxen Umgang mit den Lazarettinsassen. Nachdem auch er auf die zu lange Dauer der Krankenbehandlung
in den Lazaretten des Heimatgebiets einging, die dazu führe, dass die Kranken
und Verwundeten nach der Rückkehr auf den Kriegsschauplatz militärisch nicht mehr recht
brauchbar seien und zunächst erst wieder an militärische Zucht von neuem gewöhnt werden
müssten, fuhr er fort: Es unterliegt wohl keinem Zweifel, dass namentlich in den Lazaretten der
freiwilligen Krankenpflege von Anfang an eine große Verwöhnung der Verwundeten und Kranken
Platz gegriffen hat. Die Leute bekommen neben ihrer reichlichen und guten Kost vielfach
Genussmittel aller Art zugeführt und werden nicht bloss auf das beste verpflegt und versorgt,
sondern an alle möglichen Bedürfnisse gewöhnt und dabei gänzlich entwöhnt, irgendetwas
selbst zu tun oder für sich selbst zu sorgen. Um ihnen die Langeweile zu vertreiben, bietet
man ihnen Unterhaltungen und Vergnügungen dar, veranstaltet Vorträge, Aufführungen und
Konzerte, oder führt sie scharenweise ins Theater, dessen Eröffnung geradezu damit gerechtfertigt
worden ist. Er rede damit, wie Fabricius betonte, keineswegs einer lieblosen und weniger
sorgsamen Behandlung der Patienten das Wort. Aber es sollten alle unnötigen Dinge, die zur
Verweichlichung und zur Verwöhnung der Leute dienen, nach Möglichkeit von ihnen fern gehalten
werden. Die kranken und verwundeten Krieger sollten vor allem nie vergessen, dass sie
Soldaten sind. Die militärische Disziplin dürfte auch in den Vereinslazaretten niemals außer
Acht und Übung gelassen werden. Auch der Zeitvertreib und die Beschäftigung der Leute müssten
so früh als irgend möglich, viel früher jedenfalls, als es gegenwärtig geschieht, wieder in
militärischen Übungen und in der Wiederinanspruchnahme der Kräfte und Fähigkeit für militärische
Dienste bestehen. [...] Statt der Konzerte, Vorträge und Unterhaltungen also militärische
Instruktionsstunden, statt des Herumlungerns der Leute auf den Straßen, im Wirtshaus und in

Bericht über die Besichtigung der dem Reserve-Lazarett Freiburg unterstellten Lazarette an das Sanitätsamt
des XIV. Armeekorps, 5.7.1916, GLA, 456 F 113, Nr. 88/2.
Vgl. Geinitz (wie Anm. 8), S. 294-296.

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