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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2015/0106
werden kann. Wir bitten daher [...] veranlassen zu wollen, dass zwischen den einzelnen Latten
noch eine weitere eingefügt wird}8 Diesmal aber lehnte die Stadtverwaltung ab: Es sei der Stadt
unmöglich, eine öffentliche Anlage derart abzusperren. Wenn ein Verbot nicht ausreiche, müsse
dort eine Wache aufgestellt werden.89

Die Lazarettgeistlichen sorgten sich ihrerseits bei einem gemeinsamen Treffen im Juni 1916
um die sittliche Verrohung durch den Krieg, die sich bereits in zunehmendem Dirnentum und
geschlechtlichen Erkrankungen niederschlagen würde. Man habe daher zur Belehrung und
Warnung der Soldaten in einigen Lazaretten schon Vorträge über religiös-sittliche Fragen abgehalten
, die die ernsteste Wirkung auf die Soldaten gehabt hätten.90 Personifiziert waren diese
Schreckensszenarien in den Geschlechtskranken, die in acht Behelfsbauten in der Schlüsselstraße
in Herdern untergebracht waren; sie unterstanden dem großen Baracken-Lazarett. Obwohl
diese Unterkünfte außerhalb des eigentlichen Barackengeländes und in größerer Entfernung von
Wohnhäusern aufgestellt wurden, artikulierten sich in der umliegenden Bewohnerschaft so-
gleich fast panikartige Ängste vor einer Ansteckung. Die zuständige Lazarettleitung versuchte
deshalb, die zivilen Behörden zu beruhigen: Infolge der großen Entfernung von den anliegenden
Wohnhäusern sei keine Ansteckungsgefahr gegeben, zumal die Insassen streng bewacht würden
. Auch hätten die Baracken Wasserspülung, sind an die städtische Kanalisation angeschlossen
und gestatten in hervorragender Weise ein Isolieren aller Krankheitsformen, sodass sie
gerade für Unterbringung ansteckender Krankheiten ganz vorzüglich geeignet sind. Die Furcht
des Publikums ist daher völlig unbegründet.91

Zu guter Letzt machte sich das bürgerliche und kirchlich-konservative Freiburg auch Sorgen
um die Haltung der Jugend. Als sich beispielsweise die Stadtverwaltung Anfang des Jahres
1917, wie beschrieben, um die Räumung eines Lazaretts für den Schulbetrieb bemühte, unterstützte
sie ihr Anliegen mit dem Argument von der drohenden Verrohung der Jugend, die durch
die Abwesenheit vieler Väter hervorgerufen worden sei und nur durch die Schule aufgefangen
werden könne.92 Ahnlich versuchte der Rektor der Freiburger Gewerbeschule im Februar 1918
eine Anfrage um Überlassung des Gebäudes für den Fall schwerer Kämpfe im Oberelsass von
vornherein mit der Begründung abzuwehren, dass es sich bei den Schülern der Gewerbeschule
und der Knabenfortbildungsschule, die die Räumlichkeiten ebenfalls nutze, um Schüler in den
sogenannten „Flegeljahren" handele. In diesen Jahren wirke der Einfluss der Schule äußerst
wohltätig, zumal in den jetzigen bewegten Kriegszeiten, wo der Vater im Felde sei und die
Jungen nicht selten hohe Löhne verdienten (!). Eine Unterbrechung des Schulbetriebes durch
Räumung für Lazarettzwecke würde man daher sehr bedauern.93

Hier tauchte es bereits auf: Das Schreckgespenst des disziplinlosen, sexuell freizügigen,
moralisch enthemmten, selbstbewusst seine sozialen Rechte wahrnehmenden „gewöhnlichen"
Deutschen, wie es den Diskurs des bürgerlich-konservativen Deutschland in der Weimarer Republik
so maßgeblich prägen sollte. Dennoch stehen die örtlichen Debatten über das Kriegslazarettwesen
im Ersten Weltkrieg und seine Folgen nicht per se für eine Dominanz bürgerlich
-konservativer Mentalitäten. Denn zum einen zeigen die stetigen Sorgen über einen Verfall
der Sitten, der Sexualmoral und der gesellschaftlichen Hierarchien ja gerade, dass solche Phä-

Lazarett Hildaschule an Stadtrat, 14.9.1914, ebd.
Stadtrat an Lazarett Hildaschule, 16.9.1916, ebd.

Protokoll der Konferenz der Freiburger Lazarettgeistlichen am 18.4.1916, EAF, B2-35, Nr. 17.
Reservelazarett I an Bezirksamt Freiburg, 20.11.1914, StadtAF, C3/775/4.
Stadtrat Freiburg an die Königliche Lazarettdirektion, 22.1.1917, ebd.

Rektor der Gewerbeschule an Bayerische Mobile Etappenkommandantur 7, 22.2.1918; Gewerbeschulrat
der Stadt Freiburg an Stadtrat, 25.2.1918, StadtAF, C3/775/5.

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