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des Zentrums im badischen Landtag gewesen und hatte sich, um das Konkordat zwischen Staat
und Vatikan durchzubringen, auch völkischen Gruppen bis hin zur NSDAP angenähert. Nach
1933 kritisierte er allerdings heftig die in seinen Augen zu große Nachgiebigkeit des Erzbischöflichen
Ordinariates gegenüber den Nationalsozialisten. In der Nachkriegszeit scheiterte er mit
seinen Bemühungen, das Zentrum als katholische Partei wiederzugründen. Stattdessen setzte
sich der überkonfessionelle Christlich-Soziale Volksbund durch, der dann in der Badischen
Christlich-sozialen Volkspartei (BCSV) und später in der CDU aufging.17 Seine Abneigung gegenüber
der NSDAP übertrug Föhr auf die Kinder, die ihm nicht passten. Er beschimpfte sie als
Nazibande, und Ingeburg Selber bekam von ihm eine „Vier" im Zeugnis - eine Note, die anscheinend
nicht berechtigt war, denn er änderte sie in eine „Zwei", nachdem die Klassenlehrerin
mit ihm gesprochen hatte. Ingeburg Selber vermutet, er habe sie spüren lassen wollen, dass sie
einen Gestapobeamten als Vater hatte.18

Das Verhältnis zwischen der katholischen Kirche und Eugen Selber war somit nicht widerspruchsfrei
. Dennoch scheint er sich seinen Handlungsspielraum während des „Dritten
Reiches" bewahrt zu haben. Wie sah es in anderen Bereichen aus, für die er zuständig war,
etwa als Judenreferentl Am 9. November 1938 wurde Selber gemäß seiner Personalakten
zum SS-Untersturmführer befördert - das entspricht dem Dienstgrad eines Leutnants - sowie
dem SD und dem RSHA zugeteilt. Die Bekanntgabe dieser Beförderung - ebenso wie
anderer Auszeichnungen innerhalb der Partei und ihrer Organisationen - erfolgte im Basler
Hof, in dem damals auch die Gestapo residierte. Anschließend wurde in einem Lokal gefeiert
. In der Nacht, wahrscheinlich zwischen zwei und drei Uhr, erhielt der Befehlshaber der
Freiburger SS, Standartenführer Walter Gunst (1900-1943), von seinen Vorgesetzten den Auftrag
, die Synagogen in Freiburg und Umgebung zu zerstören und Juden verhaften zu lassen.19
Im Rahmen der späteren Ermittlungen zu dieser Aktion wurde am 18. Dezember 1948 auch
Eugen Selber vernommen. Er erklärte, am 10. November 1938 seien in der Nacht alle acht
Gestapobeamte vom Dienststellenleiter Karl Traub (1888-1945) zusammengerufen worden.
Nur ein Teil habe sich eingefunden und die Anweisung erhalten, die Synagoge nach Schriftstücken
zu durchsuchen. Als sich die Beamten zu diesem Zweck im Kellerraum befanden,
kam plötzlich der mir bekannte SS-Standartenführer Gunst die Treppe hinunter, in Zivil, mit
einer Datschmütze auf dem Kopf Er betrachtete uns und entfernte sich wieder, ohne ein Wort
mit uns zu reden. Kurze Zeit darauf trug der Kollege Gutgsell einen Stoss Akten nach oben,
kam aber gleich wieder herunter und rief, es brenne oben, wir sollten sofort den Raum verlassen
. Wir sprangen hinauf und sahen, wie im Synagogenraum im östlichen Teil (in der Gegend
des Altars) es schon lichterloh brannte. Ausser Gunst waren noch mehrere Leute da, die ich
aber nicht kannte. Wenn Gutgsell den Brand nicht rechtzeitig bemerkt hätte, hätten wir unten
im Keller noch in Lebensgefahr kommen können. Wir entfernten uns. Ich rief die Feuerwehr.

Geschichte der Stadt Freiburg (wie Anm. 1), S. 302, 306, 388, 401-404, 416 (1951 bemühte sich Föhr
noch einmal um die Wiedergründung des Zentrums) und 493. Zu Föhrs vorübergehender Annäherung an
das NS-Regime siehe Cornelia Rauh-Kühne: Katholisches Milieu und Kleinstadtgesellschaft. Ettlingen
1918-1939, Sigmaringen 1991, S. 358f..
Ingeburg Selber, schriftliche Mitteilung vom 18.9.2014.

Die Schilderung der Vorgänge, auch im Folgenden, nach: Kathrin Clausing: Leben auf Abruf. Zur Geschichte
der Freiburger Juden im Nationalsozialismus (Veröffentlichungen aus dem Archiv der Stadt
Freiburg i.Br. 37), Freiburg 2005, S. 258-267; Heiko Wegmann: Die Brandnacht vor 75 Jahren. Die SS
und das Reichspogrom am 9. November 1938 in Freiburg, in: BZ, 9.11.2013. Vgl. Heiko Haumann: Das
Schicksal der Juden, in: Geschichte der Stadt Freiburg (wie Anm. 1), S. 325-339, hier S. 331-333. Über
Gunst und die Freiburger SS bereitet Heiko Wegmann eine größere Studie vor.

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