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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2015/0122
Mein Krakauer Kollege Leszek Hondo, der über die Geschichte der Juden in Tarnöw arbeitet
, hat für mich umfangreiche Recherchen in verschiedenen Archiven angestellt. Eugen Selber
wird in den einschlägigen Quellen nicht erwähnt. Die Staatsanwaltschaft Krakau hat gegen ihn
keine Ermittlungen eingeleitet, wohl aber gegen Karl Oppermann, den SS-Sturmscharführer
Wilhelm Rommelmann (1907-1948, hingerichtet) und andere Angehörige seiner Einheit, die
außerordentlich brutal auftraten und Angst und Schrecken verbreiteten. Im Namensverzeichnis
der NS-Verbrecher, das das Instytut Pami^ci Narodowej (IPN) - das Institut der nationalen
Erinnerung - in Krakau zusammengestellt hat, findet sich Selbers Name ebenso wenig wie auf
einer Liste der Kriegsverbrecher, die nach 1945 in Tarnöw angefertigt wurde.32 Vielleicht hat er
sich bewusst zu Aufgaben gemeldet, die eine Beteiligung an Gewaltmaßnahmen unwahrscheinlich
machten, vielleicht war er ihnen zugeteilt worden, weil seine Vorgesetzten ihm nicht mehr
zutrauten oder weil es sich zufällig so ergeben hatte. Dennoch ist nicht auszuschließen, dass er
bei Aktionen anwesend war oder sogar mitgewirkt hat - nicht alles ist überliefert. Immerhin:
Ein Großteil seiner Angaben in den Vernehmungen lässt sich bestätigen. Das Einsatzkommando
mit 15 Personen kam am 20. September 1939 in der Stadt an (wenn Selbers Erinnerungen zutreffen
, wäre er etwa einen Monat später nachgefolgt). Chef der Sipo und des SD war bis Mai 1940
SS-Hauptsturmführer Hanns Mack (1904-1967), danach SS-Hauptsturmführer Walter Baach
(1908-?) (Abb. 5).33

Am 14. Juni 1940 erfolgte im Rahmen der AB-Aktion die erste Deportation nach Auschwitz
. Darunter befanden sich nur wenige Juden. 25 der 753 Verhafteten gelang die Flucht. Die
Häftlinge aus Tarnöw erhielten die Nummern 31 bis 758. Der damalige Schutzhaftlagerführer
Karl Fritzsch (1903-1945) begrüßte sie mit den Worten, dass es aus diesem KZ keinen anderen
Ausgang gebe als durch den Schornstein des Krematoriums ?A Auch in diesem Fall gibt es keinen
Hinweis auf eine Mitwirkung Selbers.

Während der Vernehmung am 23. August 1967 wurde Eugen Selber eine Zeugenaussage
vorgelesen, nach der ein Dr. Speiser zur Zeit der jüdischen Ostern 1940 im Gestapogebäude
Tarnowzu Tode gequält worden sein sollte. Selber erklärte, davon sei ihm nichts bekannt.35 Dies
ist glaubwürdig. Der Advokat Dr. Bezalel Bogumil Speiser wurde ausweislich seiner Sterbeurkunde
ein Jahr später, am 16. April 1941, an Pessach, getötet, als Selber schon längst Tarnöw

heitsdienst, Köln u.a. 2011, bes. S. 337-361. Zu Verfahren gegen Angehörige der Einsatzgruppen vgl.
Mallmann/Böhler/Matthäus (wie Anm. 24), S. 103-108.

Leszek Hondo, zahlreiche schriftliche Mitteilungen von 2014/2015. Zu Oppermann und Rommelmann
vgl. auch Tomaszewski (wie Anm. 26), S. 79, 132, 138 und 140.

Leszek Hondo, Liste der SS-Männer, die während des Zweiten Weltkrieges in Tarnöw tätig waren, sowie
weitere Mitteilungen, übersandt am 26.6. und 11.9.2014. Walter Baach nennt in seiner Aussage vom
11.8.1961 unter seinen ehemaligen Mitarbeitern Selber nicht (BA-LB, B 162/2150); Melanie Hembera,
Mitteilung vom 12.12.2014. Agnieszka Wierzcholska ist bei ihren Forschungen nicht auf Selbers Namen
gestoßen, Mitteilungen vom 1.12.2014 und 15.6.2015; Jürgen Hensel hat Berichte von Überlebenden im
Archiv des Jüdischen Historischen Instituts in Warschau - darunter knapp 80 aus Tarnöw - durchgesehen
und ebenfalls Eugen Selbers Namen nicht gefunden, Mitteilung vom 19.5.2014. Eine schriftliche Anfrage
an das IPN in Warschau blieb unbeantwortet.

34 Leszek Hondo, Übersicht über die Ereignisse in Tarnöw 1939/1940, übersandt am 11.9.2014; Mitteilungen
vom 26.6., 2.7. und 5.11.2014 sowie 28.6.2015; Danuta Czech: Kalendarium der Ereignisse im Konzentrationslager
Auschwitz-Birkenau 1939-1945, Reinbek 22008, S. 35-37 (Zitat). Unter den eingelieferten Juden
befanden sich Wiestaw Kielar und Edek Galihski, die in Auschwitz noch eine wichtige Rolle spielen
sollten; vgl. Haumann (wie Anm. 31), S. 92 und 158. Zu Fritzsch auch Heiko Wegmann, Mitteilung vom
26.6.2015 (nach Auskunft von Rene Triebel).

35 BA-LB, B 162/2164, Bl. 5965-5966.

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