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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2015/0124
1939 zerstörten die deutschen Einheiten die Synagogen und weitere Gebäude der jüdischen Gemeinde
. Der Raub ihrer Wertgegenstände und Vermögen, immer höhere Steuern und andere
Belastungen enteigneten die jüdische Bevölkerung in den folgenden Monaten vollständig. Misshandlungen
, Demütigungen, Plünderungen, Verhaftungen und Erschießungen waren an der Tagesordnung
. Ob Eugen Selber daran in irgendeiner Weise beteiligt war, geht wiederum aus den
vorhandenen Unterlagen nicht hervor. Ebenso lässt sich nicht feststellen, ob er an Verwaltungsmaßnahmen
gegenüber Juden mitwirkte, die die Stadtkommissare Ernst Kundt (1897-1947) und
Dr. Reinhold Ekert (1902-1943) sowie die verschiedenen Kreishauptleute anordneten.38 In einer
Aussage, die der Hauswart des Gestapogebäudes in Tarnöw am 3. August 1945 machte, zählte
er alle Gestapoleute auf, die ihm im Gedächtnis waren. Selber befindet sich nicht darunter - offenbar
hatte er ihm keinen besonderen Eindruck hinterlassen.39 Vielleicht brachte er tatsächlich
für die Brutalität des Besatzungsregimes nicht die notwendige Härte auf.

In unmittelbarer Beziehung zu Selbers Aussage steht ein anderer Vorgang. Im Dezember
1939 setzte die nationalsozialistische Verwaltung einen Judenrat ein, dem auch Zalek Welsch
- teilweise Weltsch oder Welcz geschrieben - angehörte. Welsch war Mitinhaber eines Bekleidungsgeschäfts
und galt, wie aus Aussagen in einem Ermittlungsverfahren 1971 hervorgeht, als
Vermittler von Geschenken des Judenrats an die Gestapo, um für eine mildere Atmosphäre zu
sorgen.40 Am 23. April 1940 wurde der Judenrat verhaftet. Einige Ratsmitglieder kamen am 20.
Februar 1942 nach Auschwitz.41 Selber sagte in seiner Vernehmung von 1967, er habe sich von
Welsch verabschiedet, als er nach Freiburg zurückversetzt worden sei. Danach müsste Welsch
im Sommer 1940 frei gewesen sein. Uberliefert ist, dass er am 19. April 1941 von der Gestapo
festgenommen wurde. Am 4. Oktober 1945 berichtete ein Gefängniswärter in einem Verfahren
gegen SS-Leute, Welsch sei aus einem Transport, der für ein Lager oder zur Erschießung bestimmt
gewesen sei, in das Gefängnis mitgenommen und in einem speziellen Vernehmungszimmer
dermaßen geschlagen worden, dass er kurz darauf - am 18. Oktober 1941 - in seiner Zelle
gestorben sei. Man habe aus ihm, der ein wohlhabender Kaufmann gewesen sei, herausprügeln
wollen, dass er sein (angebliches) Geheimfach der Gelder und Schmuckstücke preisgebe. An
dieser „Vernehmung" hätten der Gestapochef, SS-Hauptsturmführer Otto von Malottki (1905-
?), und SS-Scharführer Jan Nowak (7-1945, Selbstmord), der auch als Dolmetscher tätig war,
teilgenommen.42 Selber kann zu dieser Zeit nicht dabei gewesen sein. Für unwahrscheinlich
halte ich es auch, dass er an anderen Gewaltakten gegen Welsch beteiligt war. In diesem Fall

Hondo (wie Anm. 34); Mitteilungen vom 26.6., 2.7. und 5.11.2014. Zur Zerstörung der Synagogen
Tomaszewski (wie Anm. 26), S. 108-114. Zu Kundt siehe zahlreiche Hinweise in: Diensttagebuch (wie
Anm. 25). Über die Organisation der Verwaltung hat mich wiederum Melanie Hembera informiert, Ag-
nieszka Wierzcholska hat mich auf Berichte über das Gewaltregime hingewiesen.
Leszek Hohdo, Kopien der Aussage übersandt am 16.2.2015.

Melanie Hembera, Mitteilung vom 12.12.2014, nach Landesarchiv Nordrhein-Westfalen, Staatsarchiv
Münster, W/8574, Bl. 54 (Aussage Josef Kowalski, 22.11.1971, Zitat), vgl. W/8574, Bl. 58 (Aussage Ra-
chela Nussbaum, 23.11.1971). Zum Judenrat Hohdo (wie Anm. 34). Zalek ist eine Verkleinerungsform
von Salman (Salomon). Eine Familie Welsch ist allerdings in Tarnöw nicht nachweisbar (Leszek Hohdo,
Mitteilung vom 28.6.2015). Hier sind noch weitere Nachforschungen nötig.

Leszek Hohdo, Mitteilungen vom 2.7.2014 und 11.2.2015 (nach den veröffentlichen Transportlisten). Unter
den Deportierten war auch Welschs Kompagnon Chaim Beller, der in Auschwitz ermordet wurde.
Leszek Hohdo, Kopien der Aussage sowie von Auszügen eines Berichts über den Prozess gegen Walter
Baach und der Sterbeurkunde Welschs übersandt am 18.2. bzw. 15.11.2015; Tag der Verhaftung Welschs
nach: Ksiega przybylych i ubylych (Verzeichnis der Ein- und Auslieferungen), Gefängnis Tarnöw,
16.12.1939-31.7.1942 (Leszek Hohdo, Mitteilung vom 28.6.2015).

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