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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2015/0126
Das Beispiel zweier Kollegen

Karl Oppermann war nach Kriegsende untergetaucht und meldete sich erst im Frühjahr 1950
polizeilich wieder an. In seinem Fragebogen, den er aufgrund des Gesetzes zur Befreiung von
Nationalsozialismus und Militarismus vom 5. März 1946 ausfüllen musste, gab er an, 1939
von der Schutzpolizei Bremen in die Gestapo Karlsruhe überführt worden zu sein (tatsächlich
hatte er sich für den Dienst bei der Gestapo beworben). Von 1939 bis 1944 sei er bei der Sipo in
Tarnöw und Rzeszöw eingesetzt gewesen. Danach habe er wegen einer schweren Verwundung
einige Zeit in Lazaretten verbracht, bevor er noch für wenige Monate Kriegsdienst geleistet
habe. Das Gesetz betreffe ihn nicht. Er strebte eine Wiedereinstellung in den Polizeidienst an.
Dem wurde nicht stattgegeben, aber immerhin war eine Beschäftigung im Karlsruher Finanzamt
möglich. Nach einer ersten Ablehnung wurde ihm 1954 sogar seine Tätigkeit bei der Gestapo
als ruhegehaltsfähige Dienstzeit angerechnet. Trotz seines Untertauchens dachte niemand
daran, seinen Aktivitäten genauer nachzugehen. Oppermann stieg bis zum Steuerobersekretär
auf. Erst in den 1960er-Jahren kam dann das Verfahren gegen ihn in Gang, das 1969 mit einer
Verurteilung zu einer lebenslänglichen Freiheitsstrafe endete. Dabei wurde auch aufgedeckt,
dass er nach 1945 versucht hatte, in den USA und in München Schmuck, den er Juden geraubt
hatte, zu verkaufen.45

Auf der Suche nach Spuren von Eugen Selbers Handeln in Tarnöw stieß ich auf die Akten
des Gendarmerie-Meisters Josef Alois Viellieber (1904-?). Er war 1937, ähnlich wie Selber,
der NSDAP beigetreten, um im Staatsdienst bleiben zu können, und stufte sich 1946 als gege.
[benenfalls] Mitläufer ein. 1948 wurde das Entnazifizierungsverfahren gegen ihn eingestellt.
Obwohl auch er, wenngleich später als Selber, in Polen - vor allem in Gorlice, nicht weit von
Tarnöw - eingesetzt gewesen war, blieb er lange Zeit unbehelligt. Anfang November 1961 wurde
er dann festgenommen, weil ihm aufgrund von Zeugenaussagen mehrere Morde an Juden
und „Zigeunern" zur Last gelegt wurden. In seiner ersten Vernehmung stritt er ab, an Judenaktionen
beteiligt gewesen zu sein. Er habe lediglich im Herbst 1942 in Tarnöw an der Absperrung
des Marktplatzes mitgewirkt, auf dem Juden zusammengetrieben worden seien. Schließlich gab
er zu, in Ströze ein jüdisches Ehepaar, das sich unerlaubt aus dem Ghetto entfernt und verbotenerweise
arische Ausweise gehabt habe, verhaftet zu haben. Er habe dann den Mann erschossen,
ein Hilfspolizist die Frau. Auf die Frage, warum er das getan habe, obwohl kein ausdrücklicher
Befehl dazu vorgelegen habe, entgegnete er, die Erschießung sei von ihm erwartet worden.
Hätte er das Ehepaar lebend abgeliefert, wäre er zur Sau gemacht worden, vielleicht sogar vor
einem SS- u. Polizeigericht gelandet. Das wollte ich natürlich nicht riskieren. Möglicherweise
hätte ihm sogar ein KZ gedroht. Er schloss seine Stellungnahme zu den Anschuldigungen: Ich
bin froh, dass ich mich durch meine heutigen Angaben von dieser Last, die seit Kriegsende auf
meiner Seele lag, befreit habe. Es reichte also die Furcht, zur Sau gemacht zu werden, um jegliche
Hemmung, einen Menschen umzubringen, zu überwinden. Viellieber war bewusst, dass
ihm keineswegs eine Hinrichtung drohte, falls er das jüdische Ehepaar am Leben gelassen hätte.
Und wie weit er sich mit seinen Angaben von einer Last befreit hatte, sollte sich noch zeigen.

Viellieber wurde am 12. Juni 1964 wegen Beihilfe zum Mord in zwei Fällen - eben an dem
jüdischen Ehepaar - zu drei Jahren und sechs Monaten Gefängnis verurteilt, in den übrigen

GLA, 465 h Nr. 28821, 527 Zugang 1983/82 Nr. 7179; Leszek Hondo, Mitteilung vom 28.6.2015. Opper-
manns Frau Hedwig (geb. 1912) wurde aufgrund ihrer Angaben im Fragebogen 1946 von der Spruchkammer
als vom Gesetz nicht betroffen eingestuft (GLA, 465 a /MB 51 Az. 51/1/174). Zu Oppermanns späterem
Verfahren: Landesarchiv Nordrhein-Westfalen, Staatsarchiv Münster, Staatsanwaltschaft Dortmund
bzw. Bochum 45 Js 18/61, Landgericht Bochum 16 Ks 1/68 (BA-LB, B 162/2164).

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