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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2015/0129
Nicht nur gegenüber Juden verhielt sich Selber in dieser Weise. Andere Personen, die sich
offen kritisch gegenüber dem NS-Regime geäußert hatten oder aus sonstigen Gründen in Konflikt
mit diesem gerieten, bescheinigten Selber ebenfalls, dass er sie - wenn möglich - gewarnt,
menschlich gehandelt und manchmal sogar Verfahren niedergeschlagen habe. Bei Verhören
habe er ihnen Antworten in den Mund gelegt, die sie entlasteten. Wie sehr er Heinz Bollinger
, Mitglied der Freiburger Gruppe der „Weißen Rose", nach dessen Verhaftung unterstützte,
habe ich eingangs beschrieben. Ebenso teilte Franz Geiler (1879-1948) - linker Sozialdemokrat,
zu dieser Zeit Bürgermeister in Freiburg und Landtagsabgeordneter - in Selbers Entnazifizierungsverfahren
mit, er sei nach dem Attentat vom 20. Juli 1944 verhaftet worden. Diese Verhaftung
habe Selber durchgeführt und ihm dabei wichtige Dienste erwiesen, die ihm sein weiteres
Verhalten erleichtert hätten.54 Der Universitätsfechtmeister Albert Mack hob hervor, er sei im
dritten Reich 13 mal verhaftet und eingesperrt worden. Mindestens dreimal habe ihn Selber vor
dem sicheren Todesurteil u. Dachau gerettet.55

Offenbar versah Eugen Selber pflichtbewusst seinen Dienst, wenn sich nicht die Möglichkeit
bot, ein Verfahren niederzuschlagen, war dabei aber bemüht, den Betroffenen in ihrer Lage
behilflich zu sein. Dabei kam ihm zugute, dass er Kontakte zu einem Netzwerk Freiburger Persönlichkeiten
hatte, die ebenfalls versuchten, in ihren Funktionen den Bestrebungen der Nazis
entgegenzuwirken.56 Zu diesem Netzwerk gehörten neben katholischen Familien wie die Rubys
und Borgmanns, die aus entschiedener Gegnerschaft zum Nationalsozialismus halfen, wo sie
konnten, oder Gertrud Luckner (1900-1995), die sich im Dienste der Caritas für bedrohte Juden
einsetzte, zwei Juristen, die für Selbers Wirken besonders wichtig waren. Rechtsanwalt Karl
Siegfried Bader (1905-1998), der spätere badische Generalstaatsanwalt, hatte es gewagt, auch
eine Jüdin zu verteidigen, und war dafür öffentlich heftig angefeindet worden. 1937 zog er sich
von seiner Anwaltstätigkeit zurück, organisierte aber weiter Hilfen für Verfolgte. Zeitweilig war

den Namen Carl Jaburg annahm, berichtete, dass seine Familie von einem ehemaligen Regimentskameraden
seines Vaters vor der geplanten Deportation am 22.10.1940 gewarnt und dann angesichts dessen Erkrankung
von den Polizisten, die sie abholen wollten, verschont worden sei. Vgl. Clausing (wie Anm. 19),
S. 303; siehe Haumann (wie Anm. 50), S. 338, nach einer Mitteilung Carl Jaburgs in Reinhard Leßner:
Erinnerungen an die Kindheit, in: BZ, 13./14.9.1986. Kathrin Clausing hat mit Karl Judas ein Interview
geführt und sein Tagebuch, das von 1933 bis 1940 reicht, eingesehen. Die im Deutschen Tagebucharchiv
in Emmendingen vorhandene Kopie endet in der deutschen Fassung am 10.11.1938, in der englischen ist
der Eintrag zum Oktober 1940 enthalten; dort wird als der Weltkriegskamerad Fred Schaffner angeführt
(ich danke Jutta Jäger-Schenk und Gerhard Seitz, dass sie mir die Kopie zur Verfügung gestellt haben).
Recherchen des Stadtarchivs Freiburg ergaben, dass es sich bei dem Kriminalbeamten um Fritz Schaffner
(1888-1962) handelte. Als Freund und Regimentskamerad von Gustav Judas beschaffte er der Familie
Transportunfähigkeitsbescheinigungen wegen Krankheit und versorgte diese mit Lebensmitteln, nachdem
sie untergetaucht war. 1941 trat er in die NSDAP ein, um - nach seiner Aussage - seine Hilfe zu
verschleiern. Im selben Jahr ermöglichte er dem Ehepaar Judas und deren Kindern eine Bahnfahrt nach
Berlin und eine Weiterreise in einem verplombten Eisenbahnwaggon nach Spanien und Portugal, von wo
aus sie nach den USA emigrieren konnten. Die Rettung der beiden Großmütter war nicht möglich, sie
wurden ermordet (Christiane Pfanz-Sponagel, Mitteilung vom 10.6.2015).

AOFAA, 1BAD 935. Zu Franz Geiler vgl. Geschichte der Stadt Freiburg (wie Anm. 1), S. 284, 292, 344,

350, 381, 403f. und 406-408. Bollinger trat im Entnazifizierungsverfahren nicht auf. Er glaubte, Selber

sei wegen seines Verhaltens zum Selbstmord gezwungen worden (wie Anm. 2). Selber selbst war sich

wahrscheinlich gar nicht bewusst, welche Bedeutung seine Hinweise gehabt hatten.

StAF, F 30/1 Nr. 1956, Schreiben Macks an das badische Innenministerium, 1.8.1951.

Vgl. Heiko Haumann: Nicht jeder kannte jeden, aber man wusste, wer weiterhelfen konnte. Netzwerke

gegen die Nazi-Diktatur, in: BZ, 31.1.1994.

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