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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2015/0135
und Spruchkammerabteilung abhing.70 Die lange Zeit der Internierung sowie das Hin und Her
der Einstufungen dürften nicht dazu beigetragen haben, dass Eugen Selber seine Funktion und
seine Tätigkeit als Gestapobeamter selbstkritisch reflektierte. Wahrscheinlich hat er sich in diesem
Verfahren ungerecht behandelt gefühlt. So ist etwa eine grundsätzliche Auseinandersetzung
mit der nationalsozialistischen Politik - namentlich gegenüber der jüdischen Bevölkerung
- nicht spürbar.

Die vorübergehende Einstufung als Schuldiger ist vor allem auf die Aussage des Rechtsanwaltes
Albert Strupp (1892-1952) zurückzuführen. Albert Strupp, wohnhaft in Euenheim,
wurde - obwohl er evangelisch war - als Jude und Schutzhäftling am 12. November 1938 in das
KZ Dachau eingeliefert. Er erhielt die Häftlingsnummer 23195 und wurde am 10. Dezember
desselben Jahres wieder entlassen.71 Doch er blieb im Blick der Behörden. So wurde er, nun in
Freiburg wohnend, im Verzeichnis der am 1. Februar 1941 in Baden noch wohnhaften Juden.
(Volljuden und in Mischehe lebenden Juden) aufgeführt und im Februar 1945 nach Theresien-
stadt deportiert.72 Strupp hielt Selber vor, sich ausgesprochen barsch gegenüber seiner Frau und
ihm verhalten zu haben. Mehrfach habe er ihn gerügt, den Judenstern nicht vorschriftsmäßig
angebracht zu haben. Selber habe ihn zusammen mit anderen Juden im Februar 1945 nach
Theresienstadt deportiert und auch weitere Judentransporte durchgeführt. Außerdem benannte
er zusätzliche Belastungszeugen. So habe Selber in mindestens zwei Fällen Begegnungen
zwischen Verlobten verboten, weil sie gegen die nationalsozialistischen Bestimmungen über
die Beziehungen zwischen Juden und Nichtjuden verstoßen hätten. Zwar erwies sich dieser
Vorwurf als zutreffend, es stellte sich aber heraus, dass Selber die Kontakte nicht weiter verfolgt
und sich sein Verhalten keineswegs nachteilig für die Betroffenen ausgewirkt hatte. Sein barsches
Auftreten bei verschiedenen Gelegenheiten ließ sich dadurch erklären, dass dabei jeweils
andere Gestapobeamten anwesend waren - wenn er unter Beobachtung stand, lag es nahe, nicht
zu freundlich gegenüber Juden zu sein.73 Im Laufe der Vernehmungen milderte im Übrigen das
Ehepaar Strupp seine Beschuldigungen, so dass auch aus diesem Verhalten sich keine Belastung
für den Betroffenen ergab, wie die Spruchkammer feststellte. Vor allem Strupps Ehefrau
Luise-Charlotte (Lieselotte, 1903-?) scheint sehr zur Abschwächung beigetragen zu haben.74

Mit der Säuberungsbescheinigung waren Eugen Selbers existenzielle materielle Sorgen keineswegs
behoben. Aufgrund einer Weisung der französischen Militärregierung durften ehemalige
Gestapobeamte nicht wieder in den Staatsdienst eingestellt werden. Nach kurzer Zeit der
Erwerbslosigkeit war Selber ab Oktober 1948 als Hilfsarbeiter bei der Freiburger Firma Heinrich
Wuhrmann beschäftigt worden, die Druckerzeugnisse vertrieb. Mit seinem Lohn konnte
er allerdings den Lebensunterhalt seiner Familie mehr schlecht als recht sichern. Die erwähnte
Eingabe des ehemaligen Oberstaatsanwaltes Eugen Weiß, die er an den Minister des Innern
richtete, führte ebenso wenig zur Wiedereinstellung in den öffentlichen Dienst wie weitere ähn-

Vgl. insgesamt Grohnert (wie Anm. 67).

KZ-Gedenkstätte Dachau, Zugangsbuch Nr. 104 / 23187; ITS Digital Archive, Bad Arolsen, 0.1 / 42944713
(Schreibstubenkarte Dachau), 1.1.6.1 / 9892626 (Zugangsbuch Dachau).

StadtAF, C5/2587; ITS Digital Archive, Bad Arolsen, 1.2.1.1 / 11201161 (Transportlisten Gestapo),
1.1.42.2 / 5101911 (Kartei Theresienstadt), 1.1.42.2 / 4956875 (Zimmerlisten Theresienstadt), 3.1.1.3 /
78772363 (Erfassung von befreiten ehemaligen Verfolgten an unterschiedlichen Orten, Shärit ha-Plätah,
vol. III, 1945, dabei wird Strupp unter den Juden aus Theresienstadt geführt).

AOFAA, 1BAD 935, Aussagen Strupps, 8.11.1948, 25.1.1949 und 28.3.1949, sowie weitere Vernehmungen
und die Einlassung von Rechtsanwalt Scheffel, 26.2.1949.

StAF, F 30/1, Nr. 1956, Spruchkammer-Entscheidung vom 23.8.1949, Begründung S. 3; AOFAA, 1BAD
935.

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