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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2015/0141
Familie Prof. Dr. Wilibald Gurlitt

Wilibald Gurlitt, 1889 in Dresden geboren, beginnt seine berufliche Laufbahn 1919 in Freiburg
und erreicht mit der ordentlichen Professur in Musikwissenschaft 1929 eine frühe Karriere.3
Seine fachlichen Verdienste sind unbestritten; in der akademischen Welt des In- und Auslandes
genießt er hohes Ansehen; bei wissenschaftlichen Kolloquien ist er ein begehrter Teilnehmer.
Alles ändert sich mit Beginn des Jahres 1933. Zwar kann er den ersten Angriff des neuen Regimes
gegen jüdische Staatsbeamte - er gilt damals fälschlicherweise als „Vierteljude" - mit
seiner Eigenschaft als „Frontkämpfer" noch parieren.4 Jedoch ist die Studentenschaft ihm gegenüber
zunehmend feindlich eingestellt, da er nicht „in der Partei" ist; und bei Fachkollegen
machen sich interne Animositäten breit, die mit der Waffe der fehlenden „Rassenreinheit" leichtes
Spiel haben, gegen ihn zu operieren.

Aber erst 1937 werden ihm die jetzt verschärft angewandten Bestimmungen des Berufsbeamtengesetzes
zum Verhängnis. Sie sehen Ausschlussmaßnahmen gegen „jüdisch versippte"
Hochschullehrer vor, gegen solche also, die als „Arier" mit einem Juden/einer Jüdin oder einem
„Mischling" verheiratet sind. Das trifft für Gurlitt zu.5 Er ist seit 1918 verheiratet mit Gertrud,
1894 in Mannheim geboren. Beide Eltern sind jüdischer Herkunft; wie die Eltern ist sie evangelisch
getauft. Zwar gibt es immer noch Umstände, die eine Zwangszurruhesetzung verhindern
können und wesentlich in der Entscheidungsbefugnis des Rektors der Universität liegen. Dennoch
findet Gurlitt vor diesem keine Gnade: Er sei auf die Dauer für Freiburg nicht tragbar [...]
den besonderen Aufgaben auf dem Gebiet der Musikwissenschaft nicht gerecht', er könne bei
offiziellen Veranstaltungen der Universität und der Stadt Freiburg nicht herausgestellt werden.
Als Sachse wurzele er ohnehin nicht im alemannischen Raum und wäre am besten in das Innere
des Reichsgebietes zu versetzen, so Rektor Metz.6

Mit Schreiben vom 25. Juni 1937 an den Rektor wird Gurlitt vom Reichsministerium für
Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung zum Ende des Jahres 1937 in den Ruhestand versetzt
. Seinem Protest ist kein Erfolg beschieden. Umsonst führt er an, dass er sich immer und
überall zu den aufbauenden und kulturschöpferischen Mächten in Volk, Staat und Geistesleben
bekannt und gehalten habe und sich seinem geleisteten Beamteneid gemäß an Treue zu Volk und
Führer von niemandem übertreffen lassen (werde). Heil Hitler:7

Mit seiner Suspendierung gehen empfindliche Maßnahmen einher. Für die nächsten acht
Jahre werden Gurlitt Lehre, Forschung und Publikation untersagt sowie ihm und seiner Frau das
Betreten der Universität verboten; die Mitgliedschaft als Angehöriger der musikwissenschaftlichen
Welt wird gelöscht und keine ausländischen Kontakte erlaubt. Der erzwungene Rückzug
auf den privaten Bereich wird durch die Überwachung seiner Familie überschattet. So stehen

Staatsarchiv Freiburg (StAF), F 196/1, Nr. 6304 (Wilibald Gurlitt); Universitätsarchiv Freiburg (UAF), B
24/1127 und 1128; Bernd Martin: Die Entlassung der jüdischen Lehrkräfte an der Freiburger Universität
und die Bemühungen um ihre Wiedereingliederung nach 1945, in: Freiburger Universitätsblätter 129
(1995), S. 7-46.

§3 (2) des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums vom 7.4.1933. Zitiert nach: Das Sonderrecht
für die Juden im NS-Staat. Eine Sammlung der gesetzlichen Maßnahmen und Richtlinien - Inhalt
und Bedeutung, hg. von Joseph Walk, Heidelberg 21996, S. 12.

Erlass des Reichserziehungsministers für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung vom 8.4.1937. Er
sieht die Zwangspensionierung des Beamten unter Gewährung der Ruhebezüge vor, d.i. 75 % des regulären
Gehaltes. Ebd., S. 187.

Brief von Rektor Metz an den Reichsminister für W, E und V vom 28.10.1936, UAF, B 24/1127.
Ebd.

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