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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2015/0143
mit vier Kindern zwischen neun und 18 Jahren in der allernächsten Zeit vielfältige Probleme
ihrer Ausbildung an, deren freie Wahl von den Behörden massiv eingeschränkt wird.8 Ab dem
Jahr 1943 muss er zusehen, wie der Schutz, welchen die „Mischehe" bislang seiner Ehefrau als
dem jüdischen Partner bot, nicht nur diesem, sondern zunehmend auch ihm selbst als dem „arischen
" Teil der Partnerschaft verloren geht.

Ungelöste Probleme: „Mischehen", „Mischlinge"

Entscheidende Nahtstelle für die politische Behandlung der „Mischehe" waren die Nürnberger
Gesetze vom 15. September 1935 und die nachfolgenden Verordnungen.9 In ihnen wurden zunächst
die Definitionen für „Juden" und „Mischlinge ersten und zweiten Grades" festgelegt.
Sodann wurden Ehen zwischen Juden und „Staatsangehörigen deutschen und artverwandten
Blutes" verboten und der Rassenschande gleichgestellt. Die vor dem obigen Datum geschlossenen
Ehen waren davon zwar nicht tangiert, in der Folge jedoch der zunehmenden Diskriminierung
beider Partner ausgeliefert.

Im Dezember 1938 erfolgte durch eine Weisung Hitlers die Trennung in „privilegierte"
und „nicht-privilegierte Mischehen".10 Sie war Teil einer Flut gesetzgeberischer Maßnahmen,
die im Gefolge der Reichspogromnacht in den nächsten Monaten erging. Die Unterscheidung
hing davon ab, ob die Frau oder der Mann jüdisch war, ob Kinder vorhanden waren und wenn
ja, ob diese im christlichen oder jüdischen Glauben erzogen waren. Als die „Privilegierung" begründende
Faktoren galten vornehmlich der „arische" Ehemann und die christliche Erziehung
der Kinder. Ihre Tragweite zeigte sich nach außen für jedermann sichtbar, als der jüdische Teil

Dietrich Gurlitt, geb. 1919, konnte sein begonnenes Studium der Geologie in Bonn fortsetzen. Im Gespräch
mit ihm im Oktober 2014 glaubten meine Frau und ich, eine Art „Großherzigkeit" herausgehört
zu haben, mit welcher sich der Freiburger Rektor für ihn einsetzte, um die schamlose Haltung gegenüber
seinem Vater „wiedergutzumachen". Auch Friedemann, geb. 1920, bekam die Rückendeckung der Universität
, als er nach Arbeits- und Wehrdienst studieren wollte: Friedemann G. ist eine durchaus nordische
Erscheinung mit keinerlei jüdischen Merkmalen. Er hat bei seiner persönlichen Vorstellung den besten
Eindruck hinterlassen. Da auch sein militärischer Vorgesetzter seine Dienstfreudigkeit und Einsatzbereitschaft
anerkannt hat, trage ich keine Bedenken, den Antrag aufs beste zu unterstützen, Metz an Ministerium
, März 1942. Jetzt blockiert aber dieses und untersagt ihm als „Mischling" die Aufnahme eines
ordentlichen Studiums, gestattet ihm nur die Teilnahme an Vorlesungen als Gasthörer. Uta, geb. 1928,
muss mit Vollendung ihrer Pflichtschulzeit die weiterführende Schule verlassen. StAF, F 196/1, Nr. 6304
(Wilibald Gurlitt). Gabriele, geb. 1922, machte 1940 den Schulabschluss am Freiburger Friedrich-Gymnasium
und war dann in der evangelischen Gemeinde Gengenbach tätig. Weder in der Schule noch in der
Gemeinde hat sie Ausgrenzung oder Verfolgung erfahren. Dankenswerte Auskunft von Dietrich Gurlitt
(E-Mail vom 4.7.2015).

Sonderrecht (wie Anm. 4), S. 139. Die Unterscheidung legte fest: „Juden", d.h. Personen mit drei oder vier
jüdischen Großeltern; „Geltungsjuden", d.h. Personen mit zwei jüdischen Großeltern und am 15.9.1935
der jüdischen Religion angehörig oder mit einem Juden verheiratet; „Mischlinge ersten Grades", d.h.
Personen mit zwei jüdischen Großeltern, aber nicht der jüdischen Religion angehörig, sie werden als
„Halbjuden" bezeichnet; und „Mischlinge zweiten Grades", d.h. Personen mit nur einem jüdischen Großelternteil
. Zur Gesamtproblematik der Definitionen siehe Meyer (wie Anm. 2), S. 101 ff.
Meyer (wie Anm. 2), S. 30f. Vgl. auch Uwe Dietrich Adam: Judenpolitik im Dritten Reich, Düsseldorf
2003, S. 151 ff. Beide Begriffe traten nur im nicht-amtlichen Sprachgebrauch auf; sie sind nie in gesetzgeberischer
Form, sondern nur als „Willensmeinung des Führers" in Kraft getreten. Siehe hierzu: Die
Verfolgung und Ermordung der europäischen Juden durch das nationalsozialistische Deutschland, Bd. 2:
Deutsches Reich 1938-August 1939, hg. von Susanne Heim, München 2009, Dokument 215.

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