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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2015/0150
Der Erlass erging reichsweit und somit auch an den Kommandeur der Sicherheitspolizei
für Baden und das Elsass. Dieser leitete am 26. Januar die Verfügung an die örtlichen Gestapostellen
sowie an die entsprechenden Landratsämter weiter mit der Bitte um schnellstmögliche
Erledigung.27

In der Folge unterließ man es in Freiburg absichtlich, alle jüdischen Betroffenen schriftlich
und vorab von ihrem Abtransport zum „Arbeitseinsatz" zu informieren. Vielmehr schien
es geboten, den Befehl persönlich, zeitnah und ohne Zielbenennung auszuhändigen, um jeden
Fluchtversuch zu unterbinden.28 Helmut Schwarz erinnert sich:

Am 62. Geburtstag meines Vaters - es war der 12. Februar 1945, wir saßen abends
bei Kerzenlicht in der zerbombten Stadt - stapfen Stiefel die Treppe herauf Das Gespräch
verstummt. Harte Schläge krachen gegen die Wohnungstür. Angst füllt das
ganze Zimmer. Zwei Herren von der Gestapo verlangen den Vater.

Sie fordern ihn auf, ein mitgebrachtes Schreiben zu lesen und den Inhalt durch seine Unterschrift
zu bestätigen. Dann stecken sie es wieder ein. Aber: Die Mutter hat den kühlen Kopf,
sich die Anordnung zum Abschreiben geben zu lassen.29 Sie lautet:

Der Kommandeur der SiPo für Baden und Elsaß

Außenstelle Freiburg Abtl. 4 Freiburg, 12.2.45

Herrn Otto Israel Schwarz, Freiburg/Br, Oberau 57,

Zum Zwecke Ihres Arbeitseinsatzes haben Sie sich am 13.2.45 mittags um 16 Uhr
in der Turnseeschule Zimmer 13 einzufinden. Sie haben Verpflegung für 5-6 Tage
mitzubringen. Die restlichen Abschnitte der Lebensmittelkarten sind mitzubringen.
Gepäck darf nur soviel mitgenommen werden, als Sie in der Lage sind, dieses selbst
zu tragen. Desgl. haben Sie Ihre Kennkarte mitzunehmen. Bei Nichterscheinen erfolgt
Einweisung in ein KZ.

Vorstehendes wurde mir eröffnet: Kenntnis erhalten am 12.2.45 um 18.30 Uhr.30

Dokumente über die Verfolgung der jüdischen Bürger in Baden-Württemberg durch das nationalsozialistische
Regime, Bd. 2, bearb. von Paul Sauer (Veröffentlichungen der Staatlichen Archivverwaltung
Baden-Württemberg 17), Stuttgart 1966, S. 383.

Im Unterschied dazu erhielten die Betroffenen in Karlsruhe und Mannheim Vorladungen von Gestapo
oder Sicherheitspolizei, welche sie bereits Tage vorher erreichten. Im „Betreff" war jeweils „Arbeitseinsatz
" angegeben, im Fall von Mannheim der oben zitierte Erlass der Reichsbehörde. Zur „Ladung" in
Karlsruhe: Josef Werner: Hakenkreuz und Judenstern. Das Schicksal der Karlsruher Juden im Dritten
Reich (Veröffentlichungen des Karlsruher Stadtarchivs 9), Karlsruhe 1988, S. 420. Vom Mannheimer
Anschreiben liegt mir eine Kopie des Originals vor, mit welchem Walter Wassermann, 21-jährig, zum
Arbeitseinsatz befehligt wurde. Dem Kontakt mit ihm als Zeitzeugen verdanke ich viele Einblicke in das
damalige Geschehen.

Helmut Schwarz, Sohn von Otto und Mathilde Schwarz, erlebte im Alter von 17 Jahren die Deportation des
Vaters im Februar 1945 in Freiburg. Als „Mischling" aus einer „privilegierten Mischehe" war er bereits im
Oktober 1942 aus dem Berthold-Gymnasium ausgeschlossen worden. In der Folgezeit gelang es ihm, eine
Lehrstelle als Betriebselektriker bei der Maschinenfabrik Raimann KG St. Georgen zu erhalten, welche
gegen Ende des Krieges durch eine Zwangsverpflichtung bei der Reichsbahn unterbrochen wurde. Vgl. Ingeborg
Hecht: Von der Heilsamkeit des Erinnerns. Opfer der Nürnberger Gesetze begegnen sich, Hamburg
1999, S. 188ff; Clausing (wie Anm. 19), S. 248 u.ö.; Spitzmüller (wie Anm. 24), S. 37ff.
Persönliches Archiv von Helmut Schwarz. Freundlichen Dank für die Erlaubnis zur Veröffentlichung der
hier und unter Anm. 34 angeführten Quellen.

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