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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2015/0154
und tagsüber im Schutz der Bunker. Dann wieder nachts auf dem Rangierbahnhof in Hof, Entwarnung
3 Uhr 30 und in weiterer Fahrt Richtung Eger. Jetzt kommen Vermutungen auf, dass
das Ghetto und Konzentrationslager Theresienstadt der Zielpunkt für ihren Arbeitseinsatz sein
könnte. Dann die Gewissheit: Gegen 18 Uhr des 17. Februar kommt die Gruppe der insgesamt
144 jüdischen Menschen aus Baden im Lagerbahnhof Theresienstadt an. Es beginnt sofort die
demütigende Eingliederung als Häftlinge an der „Schleuse": die Beschlagnahme der persönlichen
Habe, die vorgeblich hygienischen Übergriffe (Rasur, „Entwesung"), die Einweisung in
beschämende Unterkünfte. Bedrückend ist für alle der Anblick der vielen vom Elend jahrelanger
Entbehrungen und Haft gezeichneten Opfer. Sie waren, neben den schrecklichen Bedingungen
einer Existenz im überfüllten Lager, der ständigen Bedrohung der Weiterdeportation in
ein Vernichtungslager ausgesetzt. Für die neu Ankommenden scheint eine unmittelbare Gefahr
dazu nicht gegeben zu sein.35 Wie gehen sie mit der vorgefundenen Situation um?

Zwar sind die menschenunwürdigen Zustände im Lager für alle trostlos und verzweifelnd
und lassen kein Entrinnen zu.36 Aber übermächtiger sind der Verfolgungsdruck und die Beklommenheit
jedes Einzelnen, einem ungewissen Schicksal ausgeliefert zu sein. Alle haben
miterleben müssen, wie nächste Angehörige bei früheren Deportationen verschleppt worden
und nie mehr zurückgekommen sind. Das Geschehen der letzten Monate ist auch für unsere
Freiburger Betroffenen zu widersprüchlich: Einerseits machen die beiden Besuche des Internationalen
Roten Kreuzes (IRK) 1944/45 im Lager sowie der Transport von 1.200 Häftlingen
in die Schweiz im Februar 1945 und die mit diesen Ereignissen erhoffte Resonanz in der Welt
Mut, andererseits bedrücken aber die nie verstummenden Gerüchte über weitere Osttransporte,
über die Erstellung von Gaskammern im Lager selbst und die Furcht vor Vergeltungstaten der
Machtinhaber angesichts des verlorenen Krieges:

„Der Kampf des IRK [...], um die Ausrottung der Juden abzuwenden, ihr Schicksal
zu erleichtern und die in Theresienstadt und anderen Lagern Gefangenen zu unterstützen
, hat erst spät und nach Überwindung endloser Schwierigkeiten größere Erfolge
errungen, als sich gegenüber den ersten fühlbaren Rückschlägen im Herbst 1942 die
Lage Deutschlands im Jahre 1944 wesentlich verschlechtert hatte. Hier war es gerade
Th., wo sich solche Bestrebungen am frühesten und stärksten auswirkten, weil dieses
Lager von Anfang an die schon vom RSHA gewünschten Voraussetzungen bot, um
durch ein Entgegenkommen die Welt besser zu täuschen. Trotzdem hat es auch hier
die Gestapo erst gegen Kriegsende daran gehindert, von den Vernichtungsabsichten
abzulassen und widerwillig Kompromisse einzugehen. Die Geschichte des Lagers
wurde jedoch zunehmend von der Taktik bestimmt, zu der sich das RSHA und andere
deutsche Behörden aus internationalen Rücksichten in diesem und nur in diesem
Lager entschlossen."37

Die letzte innerhalb einer längeren Reihe von Deportationen nach Auschwitz fand am 28.10.1944 statt.
Von den 2.038 Personen wurden nur ca. 200 gerettet. Siehe Theresienstädter Gedenkbuch (wie Anm. 34),
S. 88.

Marc Oprach: Nationalsozialistische Judenpolitik im Protektorat Böhmen und Mähren. Entscheidungsabläufe
und Radikalisierung (Schriftenreihe Studien zur Zeitgeschichte 54), Hamburg 2006, S. 129ff.
Hans Günther Adler: Die verheimlichte Wahrheit. Theresienstädter Dokumente, Tübingen 1958, S. 295.

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