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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2015/0158
Die rettende Hilfe der Bäuerin und die Unterstützung durch die Solidargemeinschaft des Dorfes
: Alle diese Aktivitäten beruhten auf Entscheidungen, die sich nicht im Rahmen des politisch
erwarteten Verhaltens bewegten.

Frau Martha Lais

Martha Lais, jüdische Ehefrau von Robert Lais, berichtet über ihre Verhaftung. Ihr Mann, Professor
für naturwissenschaftliche Fächer an der Freiburger Hindenburgschule, ist wegen seiner
beruflichen Kompetenz eine bekannte Persönlichkeit. Mitte 1937 wird er als „jüdisch versippt"
aus dem badischen Schuldienst entlassen und zwangspensioniert.

Am 11.2.1945 kam abends etwa um 5 Uhr ein Gestapobeamter mit einem Verhaftungsbefehl
, den ich unterschreiben mußte bzw. gezwungen wurde, diesen zu unterschreiben
, da ich mich zunächst weigerte. Eine Stunde später ging ich dann zur Gestapo.
Ich mußte nur deshalb an diesem Abend schon auf der Gestapo erscheinen, weil ich
mich geweigert hatte, den Verhaftungsbefehl zu unterschreiben. Anderenfalls hätte
ich mich erst am nächsten Morgen in der Turnseeschule zum Abtransport melden
müssen. Von abends 18 Uhr bis nachts 1 Uhr mußte ich im Büro der Gestapo stehen.
Um 1 Uhr wurde ich dann nach Hause geschickt. Der Beamte erklärte mir aber, ich
solle mich nur für den Abtransport am nächsten Vormittag richten.
Mein Mann hatte einen guten Bekannten, der beim SD [Sicherheitsdienst des Reichsführers
SS] war. Dieser hatte lange Zeit vorher schon zu meinem Mann gesagt, ich
solle sofort zu ihm kommen, wenn irgendetwas sei. Ich würde auf jeden Fall nicht
fortkommen. Mein Mann setzte sich mit diesem in Verbindung und ging am nächsten
Morgen mit ihm zur Gestapo. Dieser erreichte es, daß ich nicht abtransportiert wurde
. Man verabschiedete mich mit den Worten: Richten Sie sich darauf ein, daß Sie
beim nächsten Transport an der Reihe sind!

Als mein Mann am 28.3.1945 verstorben war, kam ein Beamter der Gestapo, um sich
vom Ableben meines Mannes zu überzeugen, wobei er wörtlich sagte: Jetzt sind Sie
ja vogelfrei!

Als die Beerdigung stattgefunden hatte, ging ich nicht mehr nach Hause zurück, sondern
versteckte mich bei einer Stiefnichte meines Mannes, Frau Melanie Maier [...]
Reiterstr. 9. Dort verblieb ich bis zum Ende des Krieges, immer in der Furcht lebend,
daß die Gestapo meinen Aufenthalt ermitteln und mich verhaften würde. Man kann
sich denken, in welcher Psychose ich leben mußte: immer in der Angst, wenn es läutete
, daß ich abgeholt würdet

Aus höchster Gefahr rettete sie die Intervention eines dem Regime (bisher) treuen Beamten,
der mit den international bekannten wissenschaftlichen Verdiensten ihres Mannes argumentierte
. Später tauchte sie jedoch aus eigenem Entschluss unter. Wir stehen auch hier vor individuellen
, außerhalb der erwarteten Normen getroffenen Entscheidungen, die in beiden Fällen für
die Ausführenden mit hohen Risiken verbunden waren - gerade auch, weil die Kriegslage so
bedrohlich war.

Ebd., Nr. 11848 (Martha Lais).

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