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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2015/0166
gegründet, die bald die bedeutendste literarische Zeitschrift Frankreichs war; sie hat zahlreiche
später berühmte Autoren entdeckt und gefördert. 1914 hat er sich mit 37 Jahren als Kriegsfreiwilliger
gemeldet. Nach dem Ersten und nach dem Zweiten Weltkrieg hat er sich publizistisch
für eine Verständigung mit Deutschland eingesetzt. Als diese nach 1945 noch in weiter Ferne
lag, hat er öffentlich die Kollektivschuldthese bekämpft.2

In Gegenwart seines Sekretärs empfing Jean Schlumberger mich in seiner Pariser Wohnung

- wohl in dem Raum, in dem die NRF gegründet worden war. Er eröffnete das Gespräch auf
Deutsch, mit ausdruckskräftigem Vokabular und angenehm melodiösem Tonfall. Er erkundigte
sich nach meinem Studium und dem geplanten Abschluss. Zum Abschied schenkte er mir
„Eveils" (Erwachen, autobiografische Skizzen, Paris 1950) mit der Widmung ä Norbert Ohler /
avec mes voeuxpourson travail / Jean Schlumberger /oct. 60. Er gab mir zusätzlich einen Band
seiner ,Werke' mit als Geschenk für die Universitätsbibliothek Freiburg; deren Katalog weist nur
diesen Band 7 der Oeuvres aus. Die Hoffnung des Autors, die Bibliothek werde „dann auch die
anderen Bände kaufen", hat sich wohl nicht erfüllt.

1963/64 habe ich ein Jahr als Assistant d'allemand am Lycee Louis-le-Grand in Paris unterrichtet
, ein einzigartiger Glücksfall. Denn die Schule liegt im Quartier Latin, gegenüber der
Sorbonne, und sie bereitet auf die Grandes Ecoles vor, die ,Kaderschmieden' Frankreichs. Mit
drei Deutschlehrern bin ich häufig ins Gespräch gekommen. Monsieur Brun überraschte mich
einmal mit der Bemerkung, nicht wenige seiner Landsleute gingen davon aus, dass Frankreich
zwei ,Erbfeinde' habe; deshalb ließen Offiziere, die in den Bodentruppen dienen, ihre Söhne
Deutsch lernen; die Söhne von Marineoffizieren eigneten sich Englisch an. Ich unterrichtete
also, wenn auch nicht nur, Söhne von Infanteristen, Artilleristen, Pionieren ...

Monsieur Mersiol erzählte, sein Vater sei vor 1870 aus ,Innerfrankreich'3 ins Elsass gezogen
und dort nach dem Frankfurter Frieden (Mai 1871) geblieben. Während des Ersten Weltkriegs
habe er in der Schule gesungen: „Siegreich woll'n wir Frankreich schlagen / Sterben als ein
Held." Ursprünglich hatte der Vers gelautet „Siegreich woll'n den Feind wir schlagen", also ohne
antifranzösische Spitze.4 In der leidenschaftlich überhitzten Kriegsatmosphäre hatte der Lehrer

- vielleicht aus dem ,Altreich' zugezogen - wohl Patriotismus bekunden wollen. - Monsieur
Mersiol legte mir gelegentlich seine Schulzeugnisse vor, die den Übergang von Herrschaft und
Amtssprache in den Jahren 1919/20 spiegelten.

Monsieur Brenckle, im Nordelsass geboren, hat mich wiederholt in sein Haus in Sceaux,
südlich von Paris, eingeladen. Im Gespräch mit den Eheleuten Brenckle und ihren beiden Töchtern
konnte ich zur Sprache bringen, was mir im Alltag des Lycee und im Leben Frankreichs
rätselhaft geblieben war. Bei angeregter Unterhaltung entkorkte Monsieur manche Flasche aus
seiner Heimat; so habe ich den Gewürztraminer kennengelernt, von dem meine Familie und
unsere Gäste sich gern Zunge und Gaumen verwöhnen lassen.

Vgl. N [icolaus] B [enckiser] : Jean Schlumberger; in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 25726.05.1967.
Meiner Erinnerung nach war Benckiser, im Elsass geboren, einer der Herausgeber der F.A.Z.; Alfred
Grosser: Un homme hors de son temps: Les quatre-vingt-dix ans de Jean Schlumberger; in: Le Monde,
27.05.1967; Jean-Marie Schmitt: Jean Schlumberger; in: Nouveau Dictionnaire de Biographie Alsacien-
ne, Lieferung 33, Straßburg 1999, S. 3463 f.; S. 3453 eine ,Genealogie simplifiee' der Schlumberger-,Dynastie
'.

Von France de VInterieur, Francais de Vinterieur sprach man nach 1871. Da die Begriffe sich bewährt
haben, werden sie noch heute wertneutral verwendet; je nach Betonung und Zusammenhang können sie
aber auch verletzend wirken.

,Musketier sein's lust'ge Brüder', zweite Strophe; nach Google (November 2014).

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