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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2015/0173
Exkursionen

Wer in Freiburg Geschichte für das Lehramt an Gymnasien studierte, hatte bei der Meldung
zum Staatsexamen auch die Teilnahme an einer Exkursion nachzuweisen. Gern habe ich dafür
geworben, die Umgebung des Hochschulortes durch persönlichen Augenschein kennenzulernen
, ergänzend zum Studium schriftlicher Quellen und wissenschaftlicher Literatur. Dabei gesammelte
Erfahrungen sind mir zugutegekommen, als ich in ,Europaseminaren' referierte, zu
denen die Konrad-Adenauer-Stiftung deutsche Oberstufenschüler nach Straßburg eingeladen
hatte. Ein Nachmittag mochte dann dem Besuch der Humanistenbibliothek in Schlettstadt und
einer anschließenden Weinprobe in Geberschweier gewidmet sein.

Im Folgenden ist vor allem von halbtägigen ,Exkursionen zu historischen Stätten im El-
sass' die Rede; die Übung zog sich über das ganze Sommersemester hin, weil dann die Tage
länger sind und man bei Außenbesichtigungen nicht frieren muss. Bei einer Vorbesprechung im
Hörsaal machten die Teilnehmer/-innen und der Übungsleiter sich miteinander bekannt, und
Modalitäten wurden abgesprochen: Für einen ,Schein' musste man die Bereitschaft mitbringen,
eine Stätte vorzustellen, ggf. zu zweit. Dazu gehörte der vorherige Besuch des Ortes und die
Zusammenstellung einer Handreichung, die eine aussagekräftige Quelle und einen Ortsplan
umfassen sollte, zusätzlich Zeitleiste, Abbildungen, Literaturhinweise u.ä., etwa drei bis vier
Seiten im Format DIN A4, fotokopiert. In der ,Vor-Internet-Zeit' musste man dazu noch Bibliotheken
aufsuchen und Bücher in die Hand nehmen. Die Teilnehmer ergänzten eine von mir
vorgeschlagene Liste mit Zielen; die ersten Exkursionen wurden bei der Eingangsbesprechung
festgelegt, und ich gab Hinweise auf Quellen, Literatur und was sonst nützlich sein mochte. Ich
konnte aus einem gewissen Fundus schöpfen, wenn ich selber die Führung übernahm und wenn
wir an Ort und Stelle ins Gespräch kamen.

Mittwochs um 14 Uhr trafen wir uns nahe der Universität. Wir besprachen die Strecke und
fuhren dann in Privatwagen los. Für alle Fälle war die Versicherungsfrage geklärt; erfreulicherweise
hat es keinen Ärger gegeben. Wir orientierten uns an der Michelin-Karte 87 Vosges Al-
sace (1:200.000; 1986, später die Ausgabe von 1993), die uns darüber hinaus als Quelle diente:
für Größe und Lage von Siedlungen, für Ruinen von Burgen und Klöstern, für ehemalige und
noch genutzte Kanäle, nicht zuletzt für Ortsnamen. Die deutsche und die französische Form
unterscheiden sich meistens nur wenig (Hag[u]enau; Mülhausen/Mulhouse); bei einigen muss
man achtgeben (Oberehnheim/Obernai); bei anderen ist Wissen gefragt (Markirch/Sainte-Ma-
rie-aux-Mines, Sennheim/Cernay, Zabern/Saverne). Deutschsprachige Medien neigen zur Verwendung
der französischen Form; Straßburg bildet - einstweilen noch? - einen Sonderfall.

Aus der großen Zahl von Zielen seien einige knapp vorgestellt. In Ottmarsheim erlebten wir
europäische, in vorchristlicher Zeit wurzelnde Traditionen. Die ehemalige Klosterkirche nimmt
den 8-eckigen Grundriss und die Mehrstöckigkeit der Aachener Pfalzkapelle auf (heute Dom),
die sich an San Vitale in Ravenna orientierte, das byzantinische Traditionen verkörperte, die
ihrerseits ins antike Persien verweisen. Im Eingangsbereich fiel einem Teilnehmer ein Plakat
auf, das für einen kirchlichen Ehevorbereitungskurs warb, zu denen man seinerzeit auch in ,Innerfrankreich
' einlud: Ein strahlendes junges Paar, ergänzt um die Worte: On s'aime, et nous,
on se marie („Wir lieben uns, und wir, wir heiraten").

In der ,Humanistenbibliothek' in Schlettstadt ist unser Referent nur kurz auf kostbare Handschriften
und auf Beatus Rhenanus (1485-1547) eingegangen; ausführlich hat er sich Sebastian
Münsters „Cosmographia" zugewandt (Ende des 16. Jahrhunderts). In der Vitrine war die Seite
mit der ,Europakarte' aufgeschlagen. Es brauchte eine gewisse Zeit, bis alle begriffen hatten;
aber dann war das Staunen groß: Europa als lebender Organismus, als herrisch erscheinende
Gebieterin über große Teile der damals bekannten Welt (Abb. 3). Ausblicke in spätere Jahrhun-

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