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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2015/0190
den 1980er-Jahren ein Paradigmenwechsel stattgefunden habe hin zu von Egodokumenten gestützten
Einzeluntersuchungen und Beschreibungen mentalitätsgeschichtlicher Natur.

Susanne Brandt (Düsseldorf) widmet sich einem Nachkriegsphänomen, dem Schlachtfeldtourismus,
der jedoch schon während der kriegerischen Auseinandersetzungen in kleinerem Maßstabe einsetzte,
dann aber in den 1920er-Jahren anstieg und seit den 90er-Jahren eine neue Qualität erreichte. Besonders
der Hartmannsweilerkopf im Oberelsass verzeichnete im Jahre 2009 über 250.000 Besucher; nach der
„Modernisierung" des Schlachtfeldes zum Jahr 2014 und einem im Bau befindlichen Museum dürfte
diese Zahl in Zukunft bei weitem übertroffen werden. Waren es anfänglich eher Legitimationsgründe für
den gerechten Krieg gegenüber dem Erbfeind, die Angehörige der oberen Schichten die Mühen des Besuches
auf sich nehmen ließen, spielten später Trauer um die Opfer die maßgebliche Rolle. Heute begreifen
Museumspädagogik wie auch staatliche Institutionen einer nachgewachsenen Generation die einstigen
Kriegsschauplätze in Frankreich als Lernorte für die deutsch-französische Verständigung.

Drei französische Beiträge widmen sich den elsässischen Befindlichkeiten im „Großen Krieg4'.
Eugene Riedweg (Historiker, Mülhausen) geht auf die Besonderheiten in den von der französischen Armee
bei Kriegsbeginn eroberten und dauerhaft besetzten reichsländischen Kantone im Sundgau und im
oberen Fechttal ein. Hier versuchte die Militärverwaltung Erfahrungen für die Nachkriegszeit in einem
mit Frankreich wiedervereinigten Elsass-Lothringen zu sammeln, gleichzeitig aber auch das Feld der
Propaganda für die Wiedergewinnung der „Verlorenen Provinzen" zu beackern.

Die problematische Eingliederung der „anciens combattants", der ehemaligen reichsländischen
Soldaten im deutschen Kriegseinsatz, untersucht Raphael Georges (Historiker, Straßburg). Um diesem
Ziel gerecht zu werden und Angriffen gegen diese Veteranen vorzubeugen, fand die Republik zu einem
fragwürdigen Konstrukt, das suggerierte, die elsässischen und lothringischen Soldaten hätten zumeist
gezwungenermaßen gegen ihre französischen Kameraden gekämpft. Die Veteranenverbände setzten
sich für diese Sichtweise propagandistisch ein und vertraten die einstigen Gegner in ihren Versorgungsansprüchen
gegenüber dem Staat.

Schließlich beschäftigt sich Chantal Metzger (Historikerin, Nancy) mit den Feindbildern im Osten
Frankreichs, die nach der Rückkehr Elsass-Lothringens virulent blieben und durch Entfernung alles
Deutschen in Sprache, Kultur und Verwaltung, ja sogar bei den Relikten der kriegerischen Vergangenheit
in Gestalt der Kriegerdenkmäler die Bevölkerung in das zentralistische Prokrustesbett zwingen wollte
. Hier hatte der Kurator am Unterlindenmuseum in Colmar, Jean-Jacques Waltz, besser bekannt als
Zeichner unter seinem Pseudonym „Hansi", schon in den Jahren der deutschen Herrschaft durch seine
Hetzschriften und süßlich-verkitschten, auch heute noch produzierten Bildchen aus einem Elsass ohne
Deutsche Vorschub geleistet. Die im Zusammenhang mit der Rückführung Elsass-Lothringens in die
staatliche Obhut Frankreichs aufkommenden Spannungen, die sich im Colmarer Blutsonntag 1926 entluden
, wie auch die aufkommende Autonomiebewegung sollten Frankreich während der ganzen Zwischenkriegszeit
beschäftigen.

Den Band beschließen zwei Berichte über zwei Einrichtungen in Baden, die sich der Sicherung
und Deutung des Kriegserlebnisses verpflichtet sahen. Michael Fischer (Theologe und Kirchenhistoriker
, Freiburg) lässt die Entstehung und Arbeit des Deutschen Volksliedarchivs Revue passieren. Dessen
Gründer, der Germanist John Meier, hatte frühzeitig zu Beginn des Krieges mit dem systematischen
Sammeln von Kriegs- und Soldatenliedern mittels einer Fragebogenaktion begonnen, dem sich später
noch die Soldatensprache und der Soldatenhumor als Sammlungsgebiet anschlössen. Meier betrachtete
diese Arbeit als ,geistigen Heimatschutz', um minderwertiges Material hiervon zu trennen. Diese unter
institutionellen, volkspädagogischen und nationalen Absichten und Fragestellungen gesammelten Materialien
blieben dem Volksliedarchiv über das Kriegsende hinweg bis weit über die Zeit des Zweiten
Weltkriegs hinweg erhalten. Sie als ,kriegsaffirmativ4, wie Fischer sie nennt, zu bezeichnen und damit
gleichzeitig zu desavouieren, zeigt, auch unter Berücksichtigung zeitgenössischer Sammlungen der Gegner
Deutschlands, wenig historisches Einfühlungsvermögen in die emotionale Stimmungslage dieses
Zeitraumes.

Mit dem badischen Armeemuseum in der Zeit seines Bestehens von 1919 bis 1945 beschäftigt sich
Kurt Hochstuhl (Staatsarchiv Freiburg) in seinem Aufsatz „Symbol des Wehrwillens am Oberrhein?44.

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