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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
135.2016
Seite: 48
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darin nämlich - genau besehen - nicht zuletzt auf Felix Singermanns Freiburger Dissertation.17
Darin heißt es einmal: „Einzelne Städte aber hatten doch schon ihren Juden den zugespitzten
Hut aufgezwungen, so Nürnberg. Dort trugen die Juden bereits im Jahr 1290 den gehörnten Hut
in roter Farbe, der dann von einem Barett oder platten Hut abgelöst wurde. Die fremden Juden
mußten zum Unterschiede von den einheimischen die ,Gugeln4 tragen. Es war dies eine Art großer
und weiter Kappen, die bis auf den Rücken reichten. Gegen das Tragen dieser Gugeln, die
den Juden besonders schändend erschienen, sträubten sie sich am meisten."18 Daran ist zunächst
bemerkenswert: Das Benutzen des Judenhuts ist seitens der betreffenden Gruppe offenkundig
nicht grundsätzlich als diskreditierend empfunden worden. So wurde wohl eher der Zwang bewertet
, eine bestimmte Gestalt einer solchen Kopfbedeckung zu verwenden, insbesondere die
Gugel-Form. Eben um eine Gugel handelt es sich nun beim Hut der Konsolfigur des Freiburger
Pauluspfeilers - und übrigens auch bei der betreffenden Kopfbedeckung der oben bereits angesprochenen
„Judenhut-Synopse" des Codex Cremifanensis -, sodass hier in der Tat negative
Assoziationen angebracht sein werden19: Paulus sollte wohl als jemand verstanden werden, der
das Judentum überwunden hat - und das, obwohl er nach dem Neuen Testament (siehe besonders
Rom 11,1) auch als Christus-Anhänger Israelit, d.h. Jude geblieben ist. Außerdem kann
man - sozusagen mit (Singermann und) Lubrich - fragen, ob sich nicht gerade auch in Nürnberg
die jüdische Kopfbedeckung mit nach vorne umgelegtem „Fingerling" belegen lässt. Das ist in
der Tat der Fall. Jedenfalls ein gegen Ende des 14. Jahrhunderts entstandener Prophetenkopf
des sogenannten „Schönen Brunnens" auf dem Nürnberger Hauptmarkt (Abb. 5) weist dieses
Merkmal auf,20 und Propheten werden im Mittelalter ohnehin nicht selten - und etwa auch in
der Prophetenarchivolte des Freiburger Hauptportals21 - mit einem Judenhut ausgestattet. Insofern
bedeutet also nicht bereits der „Fingerling" eine negative Wertung; vielmehr wird erst
die (mit ihm versehene) Gugel als despektierlich einzuschätzen sein. Während Ruth Mellinkoff
sich bemüht, den Judenhut ziemlich strikt den antisemitischen Signalen zuzuordnen, wird man
demnach eine differenzierendere Beurteilung zu präferieren haben, wie sie sich z.B. bei Felix
Singermann, Therese und Mendel Metzger, Heinz Schreckenberg und Naomi Lubrich findet.22

Felix Singermann: Die Kennzeichnung der Juden im Mittelalter. Ein Beitrag zur sozialen Geschichte des
Judentums, Berlin 1915. Felix Singermann, geb. 1888 in Posen, wirkte, bevor er samt seiner Frau und den
sechs Kindern 1942 in das Rigaer Ghetto deportiert und dort umgebracht wurde, bis 1939 als Rabbiner an
der Lippmann-Tauss-Synagoge in Berlin (biografische Angaben lt. Wikipedia).

Ebd., S. 38.

Entsprechendes gilt möglicherweise auch für das Mensch-Tier-Wesen, das sich rechts oben am Gesims
der Türöffnung findet, die in der Pasewalker Kirche St. Marien von der (zu Beginn des 15. Jahrhunderts
angebauten) nördlichen Kapelle in das Haupthaus führt; diese Gestalt, die ihren Ort heraldisch auf der
linken Seite hat, trägt nämlich eben eine solche Gugel, wie sie uns am Freiburger Pauluspfeiler (und bei
der „Judenhut-Synopse" des Codex Cremifanensis) begegnet ist. Das ist auch insofern interessant, als die
Pasewalker Figur sich außer mit dem unter Paulus platzierten Juden auch noch mit dem Affen am benachbarten
Petruspfeiler (siehe Bachmann [wie Anm. 1], S. 104, Abb. 13) berührt, der ebenfalls so etwas wie
einen Judenhut auf dem Kopf hat.

Das Konstanzer Konzil. Katalog, hg. vom Badischen Landesmuseum, Darmstadt 2014, S. 78f. samt Abb.
(bzw. Katalog-Nr.) 15. Das aus Sandstein gehauene Haupt wird in den Staatlichen Museen zu Berlin aufbewahrt
(Skulpturensammlung und Museum für Byzantinische Kunst, Inv. Nr. ID 365a).

Siehe dazu Emil Späth: Das Tor zum Leben. Die Hauptvorhalle des Freiburger Münsters, Lindenberg
22005, S. 130-142, bes. S. 134 und 137.

Ruth Mellinkoff: Antisemitic Hate Signs in Hebrew Illuminated Manuscripts from Medieval Germany,
Jerusalem 1999, bes. S. 34 (vgl. [indes] Dies.: Outcasts: Signs of Otherness in Northern European Art of
the Late Middle Ages [California Studies in the History of Art XXXII], 2 Bde., Berkeley u.a. 1993, bes.

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