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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
135.2016
Seite: 72
(PDF, 38 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2016/0072
„Eine Buchstabenumschrift ohne Wortsinn"?

Trotz mehrfacher Beschäftigung mit der - auf den ersten Blick hin rätselhaften - Reihe der zwar
eng aneinander gefügten, aber doch mühelos zu lesenden Buchstaben (bis auf zwei Ausnahmen
sind es Großbuchstaben) ist es bisher nicht gelungen, den Wortlaut der Beschriftung zu erschließen
. So hat sich die Auffassung festsetzen können, es handle sich bei ihr um „eine Buchstabenfolge
, die ohne Wortsinn bleibt und lediglich dekorativen Charakter hat", kurz gesagt, um eine
„Pseudoinschrift".65

Nun erscheint es von vornherein als wenig wahrscheinlich, dass sich jemand zum Ende des
16. Jahrhunderts die Mühe gemacht haben soll, mit der willkürlichen und sinnfreien Aneinanderreihung
von Buchstaben eine Inschrift vorzutäuschen, deren schmückende Wirkung erkennbar
gering ist und die dazu noch den Betrachter zum Narren hält. Und so fördert die etwas
eingehendere Beschäftigung mit dem kuriosen ,Phänomen4 denn auch rasch ein ganz anderes,
literatur- und geistesgeschichtlich durchaus interessantes Ergebnis zutage.

Sinnvollerweise ist der Einstieg zur Entzifferung der umlaufenden Buchstabenfolge, wie im
Siegelwesen, zunächst oben im Spitz der Platte zu wählen. Damit ergibt sich folgende Reihung
(der Großbuchstabe „T", den der Graveur, wie sofort auffällt, immer auf den Kopf gestellt hat,
ist zur Vereinfachung der Prozedur hier bereits wieder auf die Füße gestellt):

SIANDICVNTNITANMICDVOICVNREHTSOhlETDICANEANGBEDENTWER-
AChTMICNITVNDIEMINENSIFORANDICVNDIEDINEN

Beim Überfliegen der Reihe fallen sogleich einige Buchstabenverbindungen auf, die durchaus
einen Sinn ergeben: „VNT", „NIT", „VNREHT", „DIE" usw., sodass sich schließlich, unter Berücksichtigung
des regional-alemannischen Sprachgebrauchs und der ungeregelten Schreibweise
spätmittelalterlich-frühneuhochdeutscher Texte, als Versuchsanordnung diese Abfolge von
Worttrennungen herauskristallisiert:

SI AN DIC VNT NIT AN MIC / DVO IC VNREHT SO hIET DIC / ANEANGBE-
DENT / WER AChT MIC NIT VN DIE MINEN / SI FOR AN DIC VN DIE DINEN

Damit wird der Sinn des Ganzen schon deutlich erkennbar. Auch für die zunächst noch irritierende
Buchstabenfolge ANEANGBEDENT ergibt sich eine einleuchtende Lösung, wenn man
davon ausgeht, dass der Graveur einen Buchstaben einzuschneiden vergaß: ANE[V]ANG BED
ENT, soll heißen, Anfang und zugleich Ende des aus zwei Teilen bestehenden Ganzen. So ergibt
sich, wenn wir nun an dieser Stelle einsetzen, folgender, durch Ergänzungen des Schriftbilds
hier noch verdeutlichter Wortlaut:

ANE[V]ANG BE[I]D ENT / WER AChT MIC[H] NIT VN[T] DIE MINEN / SI[EH]
FOR AN DIC[H] VN[T] DIE DINEN - SI[EH] AN DIC[H] VNT NIT AN MIC[H] /
DUO IC[H] VNRE[C]HT, SO hIET DIC[H]

„[...] eine sternartig gezackte Kuchenplatte mit keinen Sinn ergebender Buchstabenfolge als Pseudoinschrift
". Augustinermuseum (wie Anm. 1), S. 113. — „[...] eine Buchstabenfolge, die ohne Wortsinn bleibt
und lediglich dekorativen Charakter hat". Katalog Adelhausen (wie Anm. 1), S. 105, Nr. 36. — „[...] zwischen
den Zwickeln und der Wellenranke Buchstabenumschrift ohne Wortsinn". Bestandskataloge (wie
Anm. 1), Bd. 1, S. 240.

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