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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
135.2016
Seite: 73
(PDF, 38 MB)
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Bei der weiteren, unten skizzierten Beschäftigung mit den hiermit (fast) gefundenen zwei Varianten
eines, wie sich zeigen wird, vielfach erörterten und zitierten Sprichwortkomplexes wird
klar, dass dem Graveur der Plattenumschrift ein weiterer Fehler unterlaufen ist, durch den der
erste Spruch in inhaltlich-logische und grammatikalische Schieflage geraten ist. Wo ein „W"
(WERAChT) eingeschnitten worden ist (was nur als WER AChT aufgelöst werden kann),66 wäre
ein „V" zu setzen gewesen (VERAChT) - erst dadurch wird der Text vollends plausibel. So ergibt
sich schließlich und letztendlich als Text der Inschrift:

ANE[V]ANG BE[I]D ENT / [ V] ER AChT MIC[H] NIT VN[T] DIE MINEN / SI[EH]
FOR AN DIC[H] VN[T] DIE DINEN - SI[EH] AN DIC[H] VNT NIT AN MIC[H] /
DUO IC[H] VNRE[C]HT, SO hIET DIC[H]

In hochdeutscher Umsetzung:

ANFANG, BEIDER [SPRÜCHE] ENDE / VERACHTE MICH NICHT UND DIE
MEINEN / SIEH ZUVOR AN DICH UND DIE DEINEN - SIEH AN DICH UND
NICHT AN MICH / TUE ICH UNRECHT, SO HÜTE DICH [es mir gleich zu tun]

Sprichworter wahre worter

Mit dem beginnenden 16. Jahrhundert, dem „goldenen Zeitalter des Sprichworts",67 lässt sich
ein neues, rasch wachsendes Interesse an Sprichwörtern und sprichwörtlichen Redewendungen
feststellen, das sich u.a. - neben der Verwendung in Text (der „Ulenspiegel"), Text/Bild (Sebastian
Brants „Narrenschiff")68 und Bild (Pieter Bruegels „Niederländische Sprichwörter")69
- insbesondere auch in zahlreichen, zum Teil voluminösen Sprichwortsammlungen niedergeschlagen
hat.70 Den Anfang machte Erasmus von Rotterdam (1466-1536), der mit seiner im Juli

WER AChT MIC[H] NIT VN[T] DIE MINEN / SI[EH] FOR AN DIC[H] VN[T] DIE DINEN verfälscht
die Zielrichtung des Spruchs, die allenfalls in der Fassung WER AChT MIC[H] NIT VN[T] DIE MINEN
/ SI[EH] FOR AN SIC[H] VN[T] DIE SINEN wieder korrekt in Erscheinung träte.

Andreas Bässler: Sprichwortbild und Sprichwortschwank: zum illustrativen und narrativen Potential von
Metaphern in der deutschsprachigen Literatur um 1500 (Quellen und Forschungen zur Literatur- und Kulturgeschichte
27), Berlin/New York 2003, S. 9. - Das Zitat Sprichworter wahre worter findet sich bei Friedrich
Petri (Peters): Der Teutschen Weissheit. Das ist: Außerlesen kurtze, sinnreiche, lehrhaffte und sittige
Sprüche und Sprichwörter in schönen Reimen oder schlecht ohn Reim, von allerley Geistlichem und Weltlichem
Wesen und Handel des gantzen Menschlichen Lebens, wie man sie im gemeinen Brauch hat, oder in
gelehrter Leut Büchern findet, Faksimiledruck der Auflage von 1604/05, hg. und eingeleitet von Wolfgang
Mieder (Nachdrucke deutscher Literatur des 17. Jahrhunderts 46), Bern u.a. 1983, S. [690].

Bässler (wie Anm. 67), S. 74ff. (Narrenschiff) und 233ff. (Ulenspiegel), jeweils als exemplarische Beispiele
.

Wilhelm Fraenger: Der Bauern-Bruegel und das deutsche Sprichwort, München/Leipzig 1923; Rainald
Grosshans: Pieter Bruegel d. A. Die niederländischen Sprichwörter, Berlin 2003; Bässler (wie Anm. 67),
S. 3f: „In Bruegels Werk kulminiert die weitverbreitete Gattung des Sprichwortbildes."

„Im 16. Jahrhundert kommt es [...] zu einer Blüte der Sprichwortsammlungen, sowohl in deutscher,
als auch in lateinischer Sprache." Knut Kiesant: Kalenderliteratur und Sprichwortsammlungen, in:
Die Literatur im Ubergang vom Mittelalter zur Neuzeit, hg. von Werner Röcke und Marina Münkler
(Hansers Sozialgeschichte der deutschen Literatur vom 16. Jahrhundert bis zur Gegenwart 1), München/
Wien 2004, S. 596-616 und 682-685, hier S. 606f. mit einer kurzen Ubersicht über die wichtigsten Sprichwortsammlungen
der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts.

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