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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
135.2016
Seite: 82
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2016/0082
EIN IEDER KERE VOR SEINER EYGEN THÜR/ SO WERDEN ALLE WEG REYN.
SORG FÜR DICH/ DARNACH FÜR MICH/ SIH IN DEIN KÜCHEN. Die nun andere vr-
teylen/ kompt auß dem mangel/ daß sie sich selbs nit sehen/ noch in den hafen jres hertzens
gucken/ [...] Der mensch so in den spigel vnd büsen seins hertzen on vnderlaß sihet/ kann
nicht in eim andern sehen oder finden/ das er nit auch in im sehe vnnd finde. In disem blick
zerschmiltzt der mensch in jm selbs in Got/ [...] vnnd wirt zu eitel lieb/ mißt iederman mit
der maß wie er jm selbs mißt/ ist gnedig/ glaubt alles/ tregt ein erberm/weil er den jamer/
das ist/ alle schand/ sünd/ todt/ teuffei in jm sihet/ wie vber sich selbs/ also vber iederman/
weil er in gleicher natur ein fleysch vnnd ein mensch mit jm ist/ dann er[...] sihet in jm selbs
die gantze weit vnnd alle menschen/ wasye mensch hieß/ als einn eynigen Adam [...]/eilt in
gegensatz/ nemlich in Got/ des bild er auch erloschen vnd verdeckt in jm glümend findt/ bit
[...]/ daß der gots wind den glümenden tacht wider anblase zum ewigen Hecht/ das fleysch
verzere/ daß wir all wie vor/ eins in Adam/ also ietz eins mit Christo werden.110

Nun soll hier nicht vom Predigttext des protestantischen Mystikers Franck eine direkte Linie
hinüber zu jener Inschrift gezogen werden, die im altgläubigen Kloster der Adelhauser Dominikanerinnen
eine bei Tisch benutzte Platte schmückte. Dennoch ist der Francksche Text geeignet,
das religiöse ,Klima' zu charakterisieren, in dem die beiden Sprichwortfassungen der Platte,
platziert um die Szene der Kreuzigung Christi mit der am Kreuzesfuß knienden Maria Magdalena
, der reuigen Sünderin, ihre Wirkung entfaltet haben - mit ihrer Weisung, andere nicht zu
vrteylen, vielmehr ein erberm zu tragen, weil der eine nicht in eim andern sehen oder finden
kann, das er nit auch in im sehe vnnd finde.

Und wie auch immer die Platte mit ihren gravierten Sprüchen vor den damaligen Tischgenossinnen
zu liegen kam, die sicher keine größeren Probleme mit dem Entziffern hatten: die
mahnende Botschaft des einen wie des anderen Spruchs erreichte beide Seiten des Tisches.

Sprichwörter blieben in der Folgezeit - mal mehr, mal weniger - beim Publikum beliebt,
und mit ihnen die beiden ,Dürckenheimer- Sprüche4. Immer wieder tauchen sie auf, in Sprachkunden
für den Schulgebrauch,111 in Sittenlehren',112 in den literarischen Beilagen der Jahres-

Franck (wie Anm. 82), S. 377f.

Deutsche Sprachkunde zum Gebrauche für Lehrer und Schüler, von Anton Joseph Ratz, Direktor der Is-
raelitenhauptschule zu Prag, Prag 1825, S. 102f.: „Eigenthumswörter (Zueignende Fürwörter): [...] VERACHT
' NICHT MICH UND DIE MEINIGEN, BETRACHT' NUR DICH UND DIE DEINIGEN; SIEH
NUR AUF DICH UND NICHT AUF MICH, THU' ICH UNRECHT, SO HÜTE DICH. - Anm. Statt der,
die, das Meinige, Deinige, Seinige sagt man kürzer der, die, das Meine, Deine, Seine."

Johann Heinrich Martin Ernesti: Moral für Kinder nebst einer kleinen Sittentafel, Prag 1784, S. 59:
„SIEH' AUF DICH, UND NICHT AUF MICH, THU ICH UNRECHT, SO HÜTE DICH. SPLITTERRICHTER
VERGESSEN IHRES BALKENS." - Wilhelm Wille: Sitten-Lehre in Denk-Sprüchen der
Deutschen, Kassel/Göttingen 1781, S. 120ff.: „Tadelsucht. [...] SIEH AUF DICH, UND NICHT AUF
MICH, THU ICH UNRECHT, SO HÜTE DICH. SORG ERST FÜR DICH, DARNACH FÜR MICH.
SIEH AUF DICH UND DIE DEINEN, DANN BESSRE MICH UND DIE MEINEN." - Moralische
Sprichwörter der Deutschen, welche die wichtigsten Maximen zu einer weisen und tugendhaften Führung
des Lebens enthalten. Deutschlands Söhnen und Töchtern bestimmt, Halberstadt 1822, S. 107f.:
„Tadelsucht. [...] SIEH AUF DICH UND NICHT AUF MICH, THU ICH UNRECHT, SO HÜTE DICH.
[...] SIEH AUF DICH UND DIE DEINEN, DANN BESSERE MICH UND DIE MEINEN. [...] SIEH
DICH AN UND BEURTHEILE DICH, BIST DU OHNE SCHULD, SO BESTRAFE MICH."

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