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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
135.2016
Seite: 112
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In den 1890er-Jahren und bis Anfang des neuen Jahrhunderts hielt sich Rusch in München
auf und baute dort auf der Ludwigshöhe eine „wunderschöne Villa in Holz", weiter Villen bei
Wien und in Landeck.9 Eine von ihm 1903 entworfene Villa (kein Holzbau) ist in Lindau noch
zu besichtigen. 1907 zog die Familie wieder nach Vorarlberg (Bregenz), Rusch starb im Jahr
1921.10 Er war übrigens nicht der einzige Vorarlberger, der in Günterstal tätig wurde - ein Jahrhundert
zuvor (1727 bis 1731) hatte Peter Thumb neben vielen Bauten im Badischen und im
Elsass die hiesige Klosterkirche entworfen, die aber bereits 1829 niederbrannte.

Wie der Bauherr aus Amsterdam und der Baumeister aus Vorarlberg zueinander fanden, ist
nicht mehr zu ermitteln. Als Referenz verwandte Rusch möglicherweise eine Abbildung seines
„Montafoner Hauses". Mit seiner Sägerei war er ebenso wie eine der damals aufblühenden
Schweizer „Chalet-Fabriquen" in der Lage, die Bauelemente des Bernshofs vorzufertigen. Auch
wenn die Baupraxis Ruschs bis dahin nur gering war: Es dürfte Berns als Chirurgen besonders
imponiert haben, dass sein Baumeister auch über handwerkliches Können als Zimmermann
verfügte; und dass er Vorarlberger war, bürgte für die alpine Authentizität seines Entwurfs.

Aber, so fragen wir uns: Hätte vor dem Hintergrund der Schwarz waldberge nicht auch die
Holzbauweise des Schwarzwaldhauses als „malerisches" Muster für den Bernshof dienen können
? Berns musste doch in seinen Freiburger Jahren die Schwarzwaldhöfe kennengelernt haben,
die damals in Günterstal noch zahlreicher waren als heute. Und hat nicht Friedrich Eisenlohr, Professor
am Polytechnikum zu Karlsruhe und leitender Ingenieur für die Hochbauten der Badischen
Bahnen, bereits 1853 seine Dokumentation „Holzbauten des Schwarzwaldes" mit detailgetreuer
zeichnerischer Darstellung einzelner Hoftypen im Neukircher Raum herausgegeben und darin das
„Schwarzwälder Haus" gerühmt, „welches [...] allen den örtlichen, besonderen Forderungen des
leiblichen und des Gemüthslebens vollkommen entspricht"?11 Aber das Schwarzwaldhaus war um
1890 eben im Gegensatz zum Schweizerhaus noch nicht in Mode, und auch Eisenlohr selbst hielt
sich bei seinen Entwürfen für Bahnwärterhäuschen keineswegs an ein nahe liegendes Vorbild aus
dem Schwarzwald, sondern orientierte sich am Schweizerstil, und auch sein „Design" einer modernisierten
„Schwarzwälderuhr" gleicht ausgerechnet einem dieser Häuschen.

Auch bei dem 1887 erstellten „Chalet Wittmer" am Fuß des Lorettobergs handelt es sich
trotz seiner Krüppelwalmen nicht um ein Schwarzwald-„Chalet", sondern um die freie (bzw.
phantasievolle) Variation eines Berner Vorbilds.12 Erst nach der Jahrhundertwende wurden bei
dem Bau der Villa Kuenzer in Günterstal tatsächlich Elemente des Schwarzwaldhauses als Gestaltungsmittel
eingesetzt.

Was hat es nun mit dem „Tyroler Holzstyl" auf sich? Die frühen Aufnahmen des Bernshofs
zeigen noch einen Dachreiter, der irgendwann abhandengekommen ist. Tatsächlich ist die
„Essglocke", wie der Dachreiter auch genannt wird, ein typisches Baudetail der Tiroler Bauernhöfe
, das kaum je bei Schweizer Bauernhäusern zu finden ist, hingegen oft bei bayrischen
und nicht selten bei Schwarzwaldhöfen. Ein weiteres Stilmerkmal der Tiroler Bauernhäuser ist
der betonte Einsatz von sogenannten „Lauben", also den überdachten Gängen bzw. Baikonen,
wie sie in einem jener opulenten Bände dargestellt sind, die um 1900 in den Alpenländern zur
Dokumentation bäuerlicher Architektur erschienen, in Österreich beispielsweise von Johann W.
Deininger (Abb. 5).13

Nachruf im Vorarlberger Tagblatt, 2.3.1921, S. lf.; Der Architekt, Jg. 1903, S. 45.
Mitteilung des Vorarlberger Landesarchivs.

Friedrich Eisenlohr: Holzbauten des Schwarzwalds, Karlsruhe 1853.
Freiburg im Breisgau (wie Anm. 1), S. 642.

Das Bauernhaus in Tirol und Vorarlberg, nach Originalaufnahmen hg. von Johann W. Deininger, Wien
1897 (Nachdruck 1979).

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