http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2016/0127
Die Breisgau Loge in Freiburg
im Kaiserreich und in der Weimarer Republik
Zwischen Akkulturation und jüdischer Identität
Von
Julia Knechtle
Einleitung
In Freiburg konstituierte sich 1864 erstmals seit dem Niederlassungsverbot für Juden im 15.
Jahrhundert wieder eine jüdische Gemeinde, die sich zur viertgrößten in Baden entwickelte
und 1910 über 1.320 Mitglieder verfügte, was einem Anteil von 1,6 % der Stadtbevölkerung
entsprach.1 Die Gemeindemitglieder waren überwiegend im Handel und in den freien Berufen
tätig und dem mittelständischem Bürgertum zuzurechnen.
Das Deutsche Kaiserreich war die Blütezeit der jüdischen Vereinsgründungen; auch in Freiburg
entstanden seit den 1880er-Jahren viele jüdische Vereine. Dazu zählten der Israelitische
Frauenverein, der Leseverein, der Mendelsohn-Verein und mehrere soziale Hilfseinrichtungen
wie der Israelitische Waisenverein oder der Israelitische Kranken- und Sterbeverein. Seit 1900
gab es zudem die Breisgau Loge, die Teil des Unabhängigen Orden B nai B rith (U.O.B.B.) war.
In der Breisgau Loge waren viele der führenden jüdischen Gemeindemitglieder, ein Großteil
des Synagogenrats, sowie die beiden Rabbiner Adolf Lewin und Julius Zimels, der zeitweise
auch Präsident der Loge war, vertreten. Zunächst fanden die Sitzungen der Loge in der Schiffstraße
9 (Abb. 1) statt, bis sie 1904 in der Bismarckstraße 5 eine neue Heimat fand. Ein weiterer
Umzug folgte 1913 an den Fahnenbergplatz, bevor die Loge 1925 ein eigenes Haus in der Röderstraße
4 erwarb. Mit Beginn der NS-Zeit wurde die Arbeit der Loge eingeschränkt; schon
1933 wurde sie mit dem „Gesetz über die Einziehung volks- und staatsfeindlichen Vermögens"
enteignet. Ein Jahr später war es nicht möglich, einen vollständigen Beamtenrat zu bilden, da
keines der Mitglieder das Amt des Präsidenten übernehmen wollte.2 Dennoch konnte die Loge
ihre Arbeit bis 1936 - gegen die Auflösung und Beschlagnahmung von Unterlagen und Gegenständen
legte sie Klage beim Ministerium des Innern in Karlsruhe ein - in gewissem Rahmen
fortsetzen. Mit dem Erlass des Reichsführers-SS vom 10. April 1937 wurde die Breisgau Loge
schließlich aufgelöst. Mit dem Verkauf des Hauses in der Röderstraße endete ihre Tätigkeit.
Der U.O.B.B. vertrat eine säkulare Auffassung des Judentums und bildete somit eine neue
Form von jüdischer Vergemeinschaftung, die sich nicht über ihren Glauben, sondern durch die
Vorstellung einer gemeinsamen Abstammung und Kultur definierte. Dies ermöglichte ihm sowohl
die Artikulation einer jüdischen als auch einer nationalen Identität, die er beide fördern
wollte.3
Kathrin Clausing: Leben auf Abruf. Zur Geschichte der Freiburger Juden im Nationalsozialismus (Veröffentlichungen
aus dem Archiv der Stadt Freiburg im Breisgau 37), Freiburg 2005, hier S. 34.
Stadtarchiv Freiburg (StadtAF), M 69.5/5 [1] 325, 330f. und 347.
Andreas Reinke: „Eine Sammlung des jüdischen Bürgertums": Der Unabhängige Orden B'nai B'rith in
Deutschland, in: Juden, Bürger, Deutsche. Zur Geschichte von Vielfalt und Differenz 1800-1933, hg. von
Andreas Gotzmann/Rainer Liedtke/Till van Rahden (Schriftenreihe wissenschaftlicher Abhandlungen
des Leo-Baeck-Instituts 63), Tübingen 2001, S. 315-340, hier S. 325.
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