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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
135.2016
Seite: 136
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Dass die jüdische Religion dennoch eine entscheidende Rolle spielte und trotz der proklamierten
Neutralität in Bezug auf die religiösen Auslegungen zu Auseinandersetzungen führen
konnte, lässt sich anhand der Breisgau Loge nachvollziehen. Die enge Verbindung zwischen
ihr und der jüdischen Gemeinde ist bereits aufgezeigt worden, ebenso wurden die Konflikte
anlässlich der Synagogenratswahlen 1908 und 1910 angedeutet. In diesem Zusammenhang
erhob Gustav Hirschberg, der 1910 sein Amt als Vizepräsident infolge von Unstimmigkeiten
niederlegte, in einem Brief schwere Vorwürfe gegen den Präsidenten der Loge. Dieser soll durch
Einladungen zu liberalen Wahlversammlungen den Wahlkampf unvermittelt begonnen haben
und diesen auch gegen Logenbrüder geführt haben: In der Folge wurde der Wahlkampf weitergeführt
, als ob hier nie eine Loge bestanden hätte, und als ob „Brüderlichkeit", „Eintracht"
niemals die Devisen des Ordens gewesen wären.28 Er beschrieb weiterhin, dass die Synagogenratswahlen
bereits 1908 zu heftigen Disputen innerhalb der Loge geführt hätten, die jedoch
vorläufig beigelegt worden seien. Man hätte sich darauf geeinigt, dass die verschiedenen religiösen
Ansichten der Mitglieder und der Gemeinde nichts miteinander zu tun hätten. Doch bereits
zwei Jahre später wären die Meinungsdifferenzen wieder aufgebrochen, sodass er zu der Überzeugung
gekommen sei, dass so, wie die Verhältnisse hier liegen, an eine gemeinschaftliche
Zusammenarbeit der verschiedenen Richtungen, im Sinne des gemeinschaftlichen Ordensziels,
hier nicht zu denken ist. Die Gegensätze sind zu groß und, anstatt, daß sie durch die Loge hier
gemildert wurden, sehe ich bei jeder Gelegenheit nur eine Verschärfung.29 Hirschbergs Protest
gegen die Verknüpfung von Wahlkampf im Synagogenrat und der Logenzugehörigkeit zeigt,
dass die Rolle der jüdischen Religion weitaus dominanter war, als der Orden es mit seiner weltlichen
Auffassung und seiner neutralen Position beabsichtigte.

Die große Bedeutung des Judentums wird auch an der Stellung des Ordens zur sogenannten
„Mischehe" und zur Taufe deutlich. Seit Einführung der Zivilehe 1875 war es Juden möglich, einen
Nichtjuden zu heiraten und eine „Mischehe" einzugehen. Bis zum Ersten Weltkrieg stieg der
Prozentsatz von Juden, die eine „gemischte" Ehe eingingen, auf 19 %, während sich für Freiburg
ein Anstieg von 9,6 % im Jahr 1885 auf 22,1 % im Jahr 1925 feststellen lässt.30 Der Orden lehnte
Männer, die in „Mischehen" lebten, als Mitglieder zwar nicht ab, legte jedoch Wert darauf, dass
die Kinder aus den „Mischehen" dem Judentum erhalten blieben. In Freiburg wurde dem Logenmitglied
Magnus Kupfer, einem Arzt aus Lahr, der Austritt aus der Loge nahegelegt, nachdem
dieser seine Tochter taufen ließ.31 Kupfer wandte sich daraufhin in einem Brief an die Loge und
erklärte, dass sein Austritt keineswegs freiwillig erfolge, da er selbst stets ein treues Mitglied des
Ordens gewesen sei und die Forderungen des Ordens stets erfüllt habe: Dieser Austritt ist meinerseits
kein freiwilliger, sondern er geschieht, weil mir nahe gelegt [worden] ist, dass die Taufe
meiner Tochter nicht mit den Tendenzen der Loge übereinstimmt. Ich wusste nicht, dass die Loge
andere Tendenzen verfolgt als die der Bruderliebe, der Wohltätigkeit und der Eintracht, die sie als
Devise auf ihre Fahnen schrieben?2 1928 legte der Orden schließlich in einer offiziellen Richtlinie
fest, dass ein Mitglied, das seine Kinder bewusst dem Judentum entfremde, vor den Ehrenrat der
Loge zu stellen sei, der über den weiteren Verbleib des Mitgliedes im Orden entscheiden würde.33

28 StadtAF, M 69.5/5 [1] 405a.

29 Ebd.

30 Monika Richarz: Die Entwicklung der jüdischen Bevölkerung, in: Deutsch-jüdische Geschichte in der
Neuzeit, Bd. 3: Umstrittene Integration 1871-1918, hg. von Steven M. Lowenstein u.a., München 1997, S.

13-28, hier S. 19; Clausing (wie Anm. 1), S. 37.

31 StadtAF, M 69.5/5 [1] 1445.

32 Ebd.

33 Großlogentagung am 18. und 19. November 1928, in: Mitteilungen der Großloge für Deutschland VIII

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