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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
135.2016
Seite: 148
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Prägungen: Zu Herkunft und Jugend

Es war Meinecke nicht unbedingt in die Wiege gelegt worden, eine akademische Laufbahn
einzuschlagen. Fernab der modernen Welt wurde er am 30. Oktober 1862 im beschaulichen
Salzwedel, einer 8.000 Einwohner zählenden Kleinstadt in der bis heute rückständigen, unverändert
von der Landwirtschaft geprägten Altmark (= nördliches Sachsen-Anhalt) geboren. Als
jüngstes Kind einer seit Generationen mit Land und Leuten vertrauten, entsprechend traditions-
bewussten und vor allem streng religiösen Postbeamtenfamilie wuchs er in ebenso behüteter
wie beengter Biedermeier-Atmosphäre auf. Das Familienleben wurde von der alles durchdringenden
und regelnden Frömmigkeit des Vaters bestimmt, der mit ganzer Seele in den norddeutschen
Pietismus hineingewachsen war (Abb. I).5 Diese Welt der Sicherheit geriet 1871 mit einem
Schlage verloren, als die Familie aufgrund einer Strafversetzung des Vaters6 im Berliner Arbeiterviertel
Friedrichshain ansässig werden musste. Der scharfe Kontrast zwischen der in Salzwedel
erlebten sozialen Harmonie und dem von Klassengegensätzen bestimmten Lebensalltag im
tristen Nordosten Berlins ließ schon beim jungen Meinecke ein besonderes soziales Gerechtigkeitsgefühl
entstehen. Das Erlebnis sozialer Deklassierung sowie die nicht enden wollenden
Bekehrungsversuche seines von glühendem Glaubenseifer erfüllten Vaters prägten Meineckes
Jugend. Die ständige religiöse Unterweisung und Kontrolle, die der um das Seelenheil seines
einzigen Sohnes ehrlich besorgte Vater praktizierte, empfand der sensible Junge ebenso als unerträglich
wie den Leistungsdruck auf dem Gymnasium, wo er vom Direktor nach zweimaligem
Sitzenbleiben den bitteren Rat erhielt, Subalternbeamter zu werden.7 Die schweren seelischen
Konflikte, die Meinecke bei der Identitätsfindung durchzustehen hatte, manifestierten sich bei
ihm in einem Stotterleiden, das während der Pubertät plötzlich auftrat und trotz zahlreicher
Therapieversuche nie wieder verschwand.

Abb. 1

Friedrich Meinecke (Mitte) zusammen mit
seinen Eltern, Aufnahme um 1870 (Familienarchiv
Meinecke).

Ebd., S. 7. Ausführlich zur Ausbildung von Charakter und Weltanschauung meine Untersuchung: Friedrich
Meinecke. Persönlichkeit und politisches Denken bis zum Ende des Ersten Weltkrieges, Berlin 1995.

Dieser hatte die Verfehlung eines Untergebenen nicht angezeigt und stand fortan in dem Ruf, für einen
Vorgesetzten zu weich zu sein. Vgl. Meinecke (wie Anm. 4), S. 24.

Ebd., S. 34.

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