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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
135.2016
Seite: 149
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Meineckes Abkehr von der Glaubenspraxis seines Elternhauses entsprach im Positiven seine
Hinwendung zu Dichtung, Theater und Kunst} Die bleibende Faszination, die Autoren wie
Raabe, Storm oder auch Fontane auf ihn ausübten, war existenziell begründet. Denn wenn deren
Schaffen um die Frage kreiste, wie der einzelne Mensch seine Freiheit gegenüber erdrückenden
Lebensumständen bewahren könne, so beschrieben sie damit auch Meineckes eigene Probleme.
Die Kritik, die von den Schriftstellern des Realismus am oberflächlichen Prestigedenken eines
feudalisierten Bürgertums geübt wurde, hat der weiteren Entwicklung von Meineckes politischem
Bewusstsein schon früh eine gesellschaftskritische Richtung vorgegeben. So verband
sich in seinem Denken ein dem wilhelminischen Hurrapatriotismus distanziert gegenüberstehender
Humanismus mit fortschrittlicher sozialpolitischer Aufgeschlossenheit.

Berufung mit Hindernissen und wissenschaftlicher Durchbruch

Die Freiburger Gelehrten, die im Herbst 1905 den vakanten Lehrstuhl Alfred Doves neu zu
besetzen hatten, besaßen natürlich keine genaue Kenntnis von Meineckes Persönlichkeit. Auch
mit der Abfassung aufsehenerregender Neuerscheinungen, dem eigentlich wichtigsten Leistungsnachweis
akademischer Exzellenz, konnte der Kandidat nicht sonderlich glänzen. Mit
anderen Aufgaben überlastet, war Meinecke am Ende seiner Straßburger Zeit nur mehr dazu
gekommen, eine populär gehaltene Zusammenfassung über „Das Zeitalter der deutschen Erhebung
1795-1815" zu schreiben, deren Drucklegung aber noch ausstand.9 Die Freiburger Fakultät
musste sich daher bei ihrer Urteilsbildung nolens volens an der bereits seit Jahren vorliegenden
Biografie des Heeresreformers Boyen10 sowie an vergangenen Lehrer-Schüler-Beziehungen orientieren
: Bislang nur als Preußenforscher und langjähriger Mitarbeiter Heinrich von Sybels in
Erscheinung getreten, war man in Freiburg geneigt, in dem Kandidaten lediglich einen weiteren
Vertreter der von Preußens deutscher Sendung überzeugten borussischen Schule zu sehen. So
kam es, dass der streng konservative, selbst gerade erst nach Freiburg gekommene Verfassungsund
Wirtschaftshistoriker Georg von Below keine Bedenken verspürte, energisch für Meinecke
einzutreten. Below und Meinecke waren in fast jeder Hinsicht grundverschieden, gleichwohl
hatten sie sich bereits 1898 auf die Herausgabe eines Handbuchs zur europäischen Geschichte
verständigt. Das überaus ambitionierte, laut Verlagsvertrag 31 Bände umfassende Unternehmen
sollte auf insgesamt 9.400 Seiten den aktuellen Stand der sich immer weiter ausdifferenzierenden
historischen Forschung zusammenfassend zur Darstellung bringen.11 Zur Freundschaft
vertieft wurde die Beziehung der beiden Historiker als Meinecke im September 1899 nach der
kräftezehrenden Fertigstellung seiner monumentalen Boyen-Biografie in eine Lebenskrise ge-
riet. Während seinen Freunden aus der Archivzeit, Otto Krauske und Otto Hintze, der Ubergang
an die Universität bereits gelungen war, glaubte Meinecke zunehmend nicht mehr daran, seinen
Traum von einer Hochschulkarriere noch verwirklichen zu können. Das Zurückbleiben hinter
den alten Freunden führte er einmal mehr auf sein Stottern zurück. Sein Leiden, so vermutete

Ebd., S. 32.

Friedrich Meinecke: Das Zeitalter der deutschen Erhebung 1795-1815 (Erstdruck 1906), Göttingen 71963.

Ostern 1895 hatte Meinecke nach mehr als fünfjähriger Arbeit den ersten Band seiner Boyen-Biografie,
mit dem er im Mai 1896 habilitiert werden sollte, fertiggestellt. 1899 erschien Bd. 2. Vgl. Friedrich Meinecke
: Das Leben des Generalfeldmarschalls Hermann von Boyen, 2 Bde., Stuttgart 1896/1899.

Zum Handbuch vgl. Gerhard A. Ritter: Friedrich Meinecke und der Oldenbourg Verlag, in: Friedrich
Meinecke: Neue Briefe und Dokumente, hg. von Gisela Bock und Gerhard A. Ritter (Werke 10), München
2012, S. 24-52, hier S. 32-34.

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