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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
135.2016
Seite: 159
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gang Michael hatte die Themen vergeben und auch die Doktoranden betreut.54 Tatsächlich sind
Meinecke somit in Freiburg 30 Promotionen zuzurechnen. Mindestens drei weitere Schüler, darunter
mit Josephine Blesch (Promotion 1916) auch eine Frau, hatten zwar in Freiburg studiert,
konnten aber ihre Dissertationen erst nach 1914 abschließen und wurden daher von Meinecke
in Berlin geprüft.55 Mit diesen Zahlen stellte Meinecke zwar keine Rekorde auf, aber neben dem
auffällig hohen Anteil von ihm betreuter Promovendinnen ist vor allem der spätere Werdegang
seiner Schüler bemerkenswert. Denn obwohl sich nach dem Krieg für Geisteswissenschaftler
die Karriereaussichten erheblich eintrübten, gelang es doch auffällig vielen Meinecke-Schülern,
in der Wissenschaft erfolgreich Fuß zu fassen. Von den 24 (bzw. 26)56 promovierten Schülern,
denen unter den im Kaiserreich gegebenen Bedingungen eine Wissenschaftskarriere überhaupt
offen stand,57 erzielten immerhin fünf (bzw. sieben) und somit 21% bzw. (27%) eine mit der
Habilitation vergleichbare Leistung.58

Den engsten Kreis der Freiburger Meinecke-Schüler bildeten ab 1907/08 die gut befreundeten
, allesamt aus angesehenen protestantischen Gelehrtenfamilien stammenden Walter Sohm
(1886-1914), Eduard Wilhelm („Willy") Mayer (1888-1917) und Siegfried A. Kaehler (1885-
1963). Zusammen mit einigen weiteren Meinecke-Schülern trafen sie sich täglich nach den
Vorlesungen im Stadtteil Stühlinger zum Mittagstisch. In ihrer Freizeit interpretierten sie gemeinsam
philosophische Klassiker, trugen selbstverfasste Gedichte vor und diskutierten vor
allem ihre laufenden wissenschaftlichen Arbeiten. Sie musizierten zusammen, organisierten
kleine Tanzgesellschaften und waren im Winter vorzugsweise in Saig zum Skifahren unterwegs
.59 Dem genialischen Sohm, der bei Meinecke 1910 eine Studie über den Straßburger Humanisten
und Bildungsreformer Johannes Sturm fertig stellte, wurde allgemein eine glänzende
wissenschaftliche Laufbahn prophezeit. Mit verblüffender Leichtigkeit erledigte er alle ihm
gestellten Aufgaben. Sohm sei, so notierte sein Freund Siegfried A. Kaehler nach einem der
vielen Gesprächsabende enthusiastisch, ein Moses, der aus jedem Stein Wasser schlägt.60 1914

55

54 Es handelte sich um Hermann Gnau (Promotion 1910) und Hans Berger (Promotion 1914). In der erwähnten
Liste (wie Anm. 50) werden diese Doktoranden kommentarlos als Schüler Meineckes geführt.

Neben Josephine Blesch sind Wilhelm Mommsen und der heute vergessene Diplomatiehistoriker und
Frankreich-Forscher Peter Richard Rohden (1891-1942) zu nennen. Beide wurden 1921 promoviert. Rohden
habilitierte sich 1927 bei Meinecke und führte seit 1929 im Auftrag der von seinem Doktorvater
geleiteten Historischen Reichskommission Interviews mit Persönlichkeiten der Zeitgeschichte (Eugen
Schiffer, General Reinhardt) durch. Nach 1933 entwickelte sich Rohden zum Lobredner der nationalsozialistischen
Außenpolitik. Gleichwohl erlebte 1959 seine „Geschichte Frankreichs" in der Bearbeitung
von Heinz-Otto Sieburg eine Zweitauflage. Vgl. Helmut Heiber: Walter Frank und sein Reichsinstitut für
Geschichte des neuen Deutschlands, Stuttgart 1966, S. 154f. sowie S. 160, Anm. 1.

Die Zahlen in den Klammern berücksichtigen die Berliner „Nachrücker".

In den geisteswissenschaftlichen Fächern war Frauen und Ausländern eine wissenschaftliche Karriere
über den Dr. phil. hinaus nicht möglich. Dies änderte sich erst langsam in der Weimarer Republik.

Bei Willy Mayer und Franz Rosenzweig kam es aus unterschiedlichen Gründen nicht zur Einleitung
eines Habilitationsverfahrens, obwohl ihre Eignung für den wissenschaftlichen Beruf zweifelsfrei feststand
und sie auch entsprechende Arbeiten vorweisen konnten. Sie werden daher von mir als „Quasi-Ha-
bilitierte" betrachtet.

Einen guten Eindruck vermitteln die ungedruckt gebliebenen Aufzeichnungen Lothar Erdmanns, der
im Wintersemester 1908/1909 bei Meinecke in Freiburg studierte und in dieser Zeit auch Mitglied des
Kreises um Sohm war. Lothar Erdmann: Der Freiburger Winter 1908/1909 in Briefen von Lothar Erdmann
und Ders.: Gegenwärtige Vergangenheit [Erinnerungen], beide in: Universitätsarchiv Karlsruhe,
NL Walter Bußmann, unverzeichnet.

56

57

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59

60

Kaehler an Johannes Kramer, 30. August 1910, in: Kaehler (wie Anm. 42), S. 127.

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