Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 465,da
Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
135.2016
Seite: 172
(PDF, 38 MB)
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Die Rahmenbedingungen

Nach dem Zweiten Weltkrieg gab es in Freiburg, bedingt durch die Zerstörungen des Krieges,
kaum Möglichkeiten, hilfsbedürftigen älteren Menschen ein Dach über dem Kopf zu bieten. Ein
rascher Ausgleich der Verluste war jedoch durch die besondere Bevölkerungs- und Wirtschaftsstruktur
Freiburgs erschwert. Als administratives, kulturelles und akademisches Zentrum war
Freiburg schon früh durch den Dienstleistungssektor geprägt. Das Fehlen größerer Industriebetriebe
ging mit niedrigen Einnahmen aus Gewerbe- und Grundsteuern einher, was Probleme für
den städtischen Haushalt mit sich brachte: Sowohl 1955 und 1975 erwirtschaftete die Stadt ein
Defizit, und in den Jahren dazwischen verdoppelte sich die Pro-Kopf-Verschuldung inflations-
bereinigt auf zuletzt 1.400 DM 1975.5

Zugleich machte der geringe Industrialisierungsgrad, verbunden mit Landschaft, Klima und
Kulturangebot, die Stadt attraktiv für Auswärtige. Freiburg verzeichnete dank einer der höchsten
Zuwanderungsraten in der Bundesrepublik ein stetes Wachstum von 130.000 Einwohnern
1955 auf 180.000 Einwohner 20 Jahre später. Das Wachstum war in diesen Jahren aber eher Last
als Anlass zur Freude. Denn nur zwei Fünftel der Einwohner waren erwerbstätig. Die Mehrheit
der Einwohner lebte von Transferleistungen. Unter anderem war der Anteil der über 65-Jährigen
in Freiburg bis Ende der 1960er-Jahre durchgehend höher als im Bundesdurchschnitt. Dazu
kamen zahlreiche Studierende.6

In Freiburg standen also relativ wenige Menschen als Arbeitskräfte für eine ohnehin kleine
Zahl an steuerzahlenden Betrieben zur Verfügung, während immer mehr Einwohner soziale
und dabei auch städtische Leistungen beanspruchten. Beispielhaft zeigen sich die Auswirkungen
dieser Konstellation auf dem Wohnungsmarkt, der lange Zeit überlastet war. Erst 1967/68
konnte die Wohnraumzwangsbewirtschaftung aufgehoben werden, die wegen der Wohnungsknappheit
nach dem Zweiten Weltkrieg eingeführt worden war.7

Neben diesen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Faktoren beeinflussten die gesetzlichen
Rahmenbedingungen die Suche nach Antworten auf die Frage, wie ältere Hilfsbedürftige
mit Wohnraum versorgt werden konnten. Von Land und Bund gab es dabei lange Zeit keine
klaren Vorgaben zur Unterbringung älterer Menschen. Die Fürsorgegesetze schrieben den Städten
vor, dafür zu sorgen, dass ausreichend soziale Einrichtungen vorhanden waren - in welcher
Form, blieb offen. Erst 1967 wurde in der Bundesrepublik die Aufsicht über gewerblich geführte
Altenheime eingeführt, die rechtlichen Grundlagen für alle Altenheime, also auch für die Einrichtungen
gemeinnütziger Träger, folgten sieben Jahre später.8

Dass den Kommunen bei der Wohnversorgung älterer Menschen weitgehend freie Hand
gelassen wurde, lag am Subsidiaritätsprinzip, einem zentralen Element der westdeutschen Für-

Vortragsentwurf „Fünf Jahre Ratsarbeit" vom 26.9.1953, Stadtarchiv Freiburg (StadtAF), C5/649; Badische
Zeitung, 5.12.1975; vgl. Benno Heinrichsmeier: Sozialräumliche Differenzierung in Freiburg im
Breisgau. Eine faktorialökologische Untersuchung von Stadtstrukturen, ihrer Veränderung zwischen
1970 und 1980 und ihrer Bedeutung für die Wohnzufriedenheit, Freiburg 1987, S. 102f. und 106.

Badische Zeitung, 31.10.1956, 4.6.1957, 19.2.1964 und 24.1.1973; vgl. Heinrichsmeier (wie Anm. 5),
S. 103f. und 106.

Vgl. Jörg Echternkamp: Die Bundesrepublik Deutschland 1945/49-1969 (Seminarbuch Geschichte), Paderborn
2013, S. 35f.; vgl. Heinrichsmeier (wie Anm. 5), S. 110; vgl. Robert Neisen: Und wir leben immer
noch! Eine Chronik der Freiburger Nachkriegsnot, Freiburg 2004, S. 236f.

Vgl. Kathrin Schneiders: Vom Altenheim zum Seniorenservice. Institutioneller Wandel und Akteurkonstellationen
im sozialen Dienstleistungssektor (Wirtschafts- und Sozialpolitik 3), Baden-Baden 2010,
S. 100; siehe §93 (1) des Bundessozialhilfegesetzes in der Fassung vom 30. Juni 1961.

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