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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
135.2016
Seite: 181
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Gelindert wurden diese Probleme dadurch, dass die freien Träger ihren neuen oder umgebauten
Altenheimen seit Mitte der 1950er-Jahre Pflege Stationen angliederten. Die Stadt unterstützte
diese Aktivitäten erst mit Darlehen, ab 1956 mit immer höheren Zuschüssen. In den
1960er-Jahren kamen weitere Fördermittel vonseiten des Landes und schließlich auch des Bundes
hinzu.37

Ein Personenkreis blieb bei diesen Pflege Stationen allerdings ausgeklammert: jener der sogenannten
„geistig gebrechlichen Alten", also unter anderem Menschen mit Demenz. Diesen
Menschen wurde unter anderem zum Verhängnis, dass bei ihnen eine andere kulturelle Tradition
zum Tragen kam als bei älteren Menschen generell. Denn psychische Erkrankungen wurden
lange Zeit mit dem Vorwurf der Unwürdigkeit verknüpft. In Verwaltungsberichten aus dem 19.
Jahrhundert, die eine hilfesuchende Person als ,unwürdig' einschätzten, fand sich zum Beispiel
oft die Vermutung, diese Person sei geisteskrank. In ähnlicher Weise weigerten sich Verwaltungsvertreter
nach dem Zweiten Weltkrieg, auf Schreiben von Hilfsbedürftigen zu antworten,
wenn diese als geistesgestört' galten. Erst ab den 1970er-Jahren begann sich der Umgang mit
psychisch Kranken allmählich zu ändern, nachdem der Gesetzgeber in der Novelle des Bundessozialhilfegesetzes
von 1969 auch Hilfsleistungen für diese Menschen eingeführt hatte.38

Mit Blick auf die Pflegeheimsituation in Freiburg hatten Vorbehalte dieser Art schwerwiegende
Folgen. „Geistig gebrechliche" ältere Menschen waren nicht nur in den Kliniken
unerwünscht, sondern offenbar auch in den Heimen der gemeinnützigen Träger. Beispielhaft
zeigt sich dies im Fall des Altenheims in der ehemaligen Kartaus. Als dieses Heim in den
1960er-Jahren durch einen Neubau ersetzt werden sollte, hoffte das Sozialamt, dass der Träger,
die Allgemeine Stiftungsverwaltung, das dann nicht mehr gebrauchte alte Gebäude in ein Pflegeheim
(auch) für „geistig Gebrechliche" umwandeln würde. Die Stiftungsverwaltung lehnte
dieses Ansinnen jedoch entschieden ab. Das bisherige Heim sei bereits in Verruf geraten, weil
zuletzt immer wieder Personen aufgenommen werden mussten, die entweder debil oder lebensschwach
oder sonstwie Psychopathen sind. Außerdem sei die Stiftungsverwaltung gemäß
ihrem Stiftungszweck nicht für diesen Personenkreis zuständig, es handele sich stattdessen um
eine städtische Aufgabe. Nicht zuletzt sprächen pflegerische Gründe gegen eine Umsetzung
des Vorhabens. Die StiftungsVerwaltung konnte sich mit diesen Argumenten durchsetzen: Das
Pflegeheim in der alten Kartaus, das dort Ende der 1960er-Jahre eingerichtet wurde, nahm nur
körperlich pflegebedürftige Menschen auf (Abb. 5).39

Die Stadt war also selbst gefragt, wie es die Allgemeine Stiftungsverwaltung unterstrich -
und das Wohlfahrts- bzw. Sozialamt bemühte sich, diese Aufgabe zu erfüllen. Damit stellte sich
die Stadt übrigens nicht gegen das Subsidiaritätsprinzip. Im Gegenteil: Die zunächst gültigen
Fürsorgegesetze der Weimarer Republik und ab 1961/62 das Bundessozialhilfegesetz verpflichteten
die öffentlichen Fürsorgeträger, also in erster Linie die Kommunen, eigene Einrichtungen

Vorlage für den Finanzausschuss, 2.8.1956, StadtAF, C5/2593; Niederschrift über die Sitzung des Sozialausschusses
, 26.4.1963, StadtAF, C5/2493; Auszug aus dem Staatsanzeiger, 19.9.1964, StadtAF,
D. So. Generalia 141; Schreiben des Sozialamts, 13.5.1966, und Schreiben des Bürgermeisteramts, Abt.
IV, 11.9.1969, StadtAF, D. So. Generalia 142; Verweisung des Bürgermeisteramts, Abt. III, 10.7.1973,
StadtAF, D. So. Generalia 423; Badische Zeitung, 27.4.1955, 29.1.1957 und 11.8.1959.

Siehe z.B. Stellungnahmen des Sozialamts zu Werner M., 29.6.1966, 26.9.1966 und 7.10.1966, StadtAF,
C5/2557; siehe z.B. Badische Zeitung, 19.9.1969, 7.10.1969 und 9.1.1970; Bundessozialhilfegesetz in der
Fassung vom 14. August 1969.

Bericht des Sozialamts über die Sitzung des Stiftungsrats, 11.12.1964, StadtAF, D. So. Generalia 141;
Niederschrift über die Besprechung zwischen Sozialamt und Stiftungsrat, 6.7.1964, StadtAF, C5/2597;
Badische Zeitung, 17.7.1969 und 13.8.1971.

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