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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
135.2016
Seite: 185
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Mit der Bergbaukrise verbunden war eine weitere Problematik: eine noch geringere städtische
Finanzkraft als in Freiburg. Denn außer den Zechen und deren Zuliefererfirmen gab es
kaum andere Betriebe in der Stadt, trotz wiederholter Bemühungen, neue Unternehmen anzuwerben
. Die Vollbeschäftigung, die um 1960 in Castrop-Rauxel herrschte, schlug ab Mitte der
1960er-Jahre wegen Zechenschließungen und Stellenabbau in eine steigende Arbeitslosenquote
um - also ausgerechnet in der Zeit, in der sich Politik und Verwaltung vermehrt dem Thema der
Wohnversorgung älterer Bürger zuwandten.46

Ohnehin trieb der städtische Haushalt den Verantwortlichen regelmäßig Sorgenfalten auf
die Stirn: Castrop-Rauxel stand im landesweiten Vergleich bei den Steuereinnahmen pro Kopf
stets auf den letzten Rängen, mit Beträgen, die 17 bis 28 % unter dem Landesschnitt lagen.
Ähnlich niedrig war das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf in Castrop-Rauxel. Demgegenüber war
die Steuerkraft je Einwohner in Freiburg um einiges höher, zum Beispiel Mitte der 1970er-Jahre
um je rund 100 DM bzw. ca. 30 %. Die Freiburger mochten zwar auch nicht mit ihrem
städtischen Haushalt zufrieden sein, doch hatten sie etwas mehr Handlungsspielraum als die
Castrop-Rauxeler.47 1968 ließ sogar eine Finanzlücke von nur 5.000 DM in Castrop-Rauxel beinahe
das Vorhaben scheitern, Altenwohnungen zu bauen. Erst als die Stadt die Baupläne änderte
und dadurch doch die erhofften Landesmittel erhielt, konnte das Projekt erfolgreich umgesetzt
werden.48

Was in Castrop-Rauxel ebenfalls fehlte, war ein entschiedener Fürsprecher für die Anliegen
älterer Menschen, ähnlich dem Freiburger Wohlfahrtsamtsleiter Franz Flamm. In der Ruhrgebietsstadt
gab es niemanden, der wie Flamm in richtungsweisenden Gremien auf Landes- und
Bundesebene mitdiskutierte und selbst durch Publikationen die öffentliche Diskussion zu diesem
Thema beeinflusste. Die Castrop-Rauxeler Amtsvertreter beteiligten sich nur im näheren
Umland an überörtlichen Ausschüssen. Sie verfolgten die Entwicklungen auf Landes- und Bundesebene
somit eher als passive Zuschauer, ohne diese Entwicklungen durch eigene, beispielgebende
Maßnahmen voranzutreiben.

Dieser Umstand und die erwähnten sozioökonomischen Verhältnisse führten dazu, dass die
Castrop-Rauxeler im Bereich der Unterbringung älterer Menschen im Vergleich zu Freiburg als
Nachzügler auftraten. Für die Stadtverwaltung hatte dieser Umstand durchaus Vorteile, da es
bereits Förderprogramme des Landes und des Bundes gab und die Castrop-Rauxeler zudem bei
Tagungen und Schulungen sowie auf der Basis von Fachartikeln von den Erfahrungen anderer
Träger profitieren konnten. Auf diese Weise blieben ihnen gewisse Probleme erspart, mit denen
die Freiburger kämpfen mussten, etwa die Kritik, dass die dort bereits bestehenden Einrichtungen
den geltenden Standards nicht (mehr) entsprachen.49

Es brachte aber auch Nachteile für die Castrop-Rauxeler mit sich, den Empfehlungen von
Land und Bund zu folgen. Dies zeigte sich zum Beispiel im Bereich der Pflegeplätze für ältere

Westdeutsche Allgemeine Zeitung, 6.7.1955, 8.5.1965, 30.9.1970 und 879.2.1975; vgl. Echternkamp (wie
Anm. 7), S. 112.

Schreiben des Sozialamts, 5.3.1965, StadtACR, AZ 11639; Westdeutsche Allgemeine Zeitung, 28.10.1969,
22.1.1971, 21.9.1974, 25.10.1974 und 22.10.1975; Badische Zeitung, 19.12.1973.

Niederschriften über die Sitzungen des Sozialausschusses, 9.5.1968, 22.10.1968 und 6.2.1969, StadtACR,
AZ 12266; Tätigkeitsberichte der Stadt Castrop-Rauxel 1970, S. 22 (StadtACR, AZ 4533), 1971, S. 30
(StadtACR, AZ 4534), und 1972, S. 31 (StadtACR, AZ 4535).

Siehe z.B. Tagesplan eines Lehrgangs des DV-Fortbildungswerks zum Thema Wohnungen und Heime
für alte Menschen, 02/1965, StadtACR, AZ 12410; Runderlasse des Ministers für Landesplanung, Wohnungsbau
und öffentliche Arbeiten, 8.9.1964 und 25.2.1968, sowie Altenwohnungsbaubestimmungen des
Landes NRW 1971, StadtACR, AZ 12610; Westdeutsche Allgemeine Zeitung, 6.5.1964; vgl. Baumgartl
(wie Anm. 2), S. 18f.

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