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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
135.2016
Seite: 186
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Menschen. So hatte das Landesministerium für Wiederaufbau der Stadt 1957 davon abgeraten
, eine sogenannte „Siechenstation", also eine Station für Pflegefälle, einzurichten. Die Begründung
des Ministeriums: Dies würde die Finanzierung des geplanten Altenheim-Neubaus
erschweren - ein Argument, das die Verantwortlichen in der chronisch finanzschwachen Kommune
ohne Widerworte akzeptierten. Ebenso verzichtete der katholische Träger auf Pflegeplätze
, und zwar zu einer Zeit, als freie Wohlfahrtsverbände und Kirchen in Freiburg bereits die
ersten solchen Stationen verwirklichten.50

Die Entscheidung gegen Pflegeplätze bereuten die Castrop-Rauxeler Stadtverwaltung und
der katholische Träger jedoch rasch. Die 1960er-Jahre waren von einer steigenden Nachfrage
nach Pflegebetten geprägt. Beide Träger versuchten zunächst, durch eine Erweiterung um wenige
Plätze Abhilfe zu schaffen - Kapazitäten, die sehr rasch erschöpft waren. Nach und nach
mussten die beiden Heimträger Altenheimbetten und sogar Verwaltungsräume in den bestehenden
Häusern in Pflegeplätze umwandeln. Den wachsenden Bedarf konnten sie damit aber nicht
erfüllen.51

In den frühen 1970er-Jahren beschlossen die Träger aller Castrop-Rauxeler Heime daher,
das Problem grundlegend anzugehen, indem sie entsprechende Neubauten und großzügige Erweiterungen
planten. Allerdings stießen sie auf erhebliche Hindernisse. Zum einen trieben die
hohen Inflationsraten die Baukosten in die Höhe. Vor dem Hintergrund der Wirtschaftskrisen -
der Rezession 1966/67 und später der Ölkrise - wurde es zum anderen zunehmend schwieriger,
Fördermittel von Land und Bund zu bekommen.52

Zusammengenommen verbanden sich in Castrop-Rauxel also mehrere Faktoren, die dazu
führten, dass Politik und Verwaltung in dieser nordrhein-westfälischen Stadt die Unterbringung
älterer Hilfsbedürftiger lange Zeit als nebensächlich betrachteten: geringe finanzielle
Möglichkeiten, die Abwesenheit entschiedener Fürsprecher in verantwortlichen Positionen und
insbesondere der fehlende Bevölkerungsdruck in einer zunächst überdurchschnittlich jungen
Stadt. Erst als der Anteil älterer Menschen unter den Castrop-Rauxeler Bürgern anstieg, infolge
der Bergbaukrise und daraus abgeleiteter WanderungsVerluste, kam es Ende der 1960er-Jahre
zu einem Umdenken. In den Folgejahren bemühten sich Vertreter der öffentlichen und freien
Wohlfahrtspflege, vermehrt Wohnungen und Heimplätze für ältere Menschen zu schaffen - ein
Bemühen, dem aber oft die schwierige finanzielle Lage der Stadt entgegenstand.

Trotzdem ist eines festzuhalten, was sowohl für Freiburg als auch Castrop-Rauxel gilt: Sobald
die Verantwortlichen in Politik und Verwaltung den Bedarf an Wohnraum für ihre älteren
Bürger festgestellt hatten, versuchten sie, diesen Bedarf gegen alle Widrigkeiten zu erfüllen.
Dieses Vorgehen belegt, dass ältere Menschen als besonders hilfswürdig anerkannt waren. Anders
erging es den ,unwürdigen' Hilfsbedürftigen, wie zum Beispiel den Freiburger Zigeunern
' : Sie erlebten Verfolgung und Ausgrenzung.

Aktenvermerk des Stadtdirektors, 11.10.1957, StadtACR, AZ 18352.

Verwaltungsbericht der Stadt Castrop-Rauxel 1961, S. 14, StadtACR, AZ 11558; Schreiben des Stadtdirektors
, 21.11.1962, StadtACR, AZ 12700; Niederschrift über die Sitzung des Sozialausschusses, 7.1.1965,
StadtACR, AZ 18116; Niederschriften über die Sitzungen des Kuratoriums des Altenheims, 11.6.1970
und 15.6.1971 (StadtACR, AZ 18266) und 31.5.1972 (StadtACR, AZ 12267).

Niederschrift über die Sitzung des Sozialausschusses, 6.2.1969, StadtACR, AZ 12266; Auszug der Niederschrift
über eine Besprechung der Beigeordneten, 16.12.1974, und Vorlage für den Sozialausschuss,
13.3.1975, StadtACR, AZ 12418.

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