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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
135.2016
Seite: 187
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2016/0187
Der Vergleich mit den Freiburger ,Zigeunern'

1945 ließen sich mehrere ,Zigeuner'-Familien in Freiburg nieder. Sie hofften, über die dort ansässige
Wiedergutmachungsbehörde für ihre Leiden in der NS-Zeit entschädigt zu werden.53 Bis
die ,Zigeuner4 aber als ,hilfswürdige' Gruppe anerkannt wurden, vergingen Jahrzehnte. Denn
seit die ,Zigeuner4 spätestens in der frühen Neuzeit vermutlich aus Asien nach Europa gekommen
waren, sahen sie sich mit Vorurteilen konfrontiert: ,Der Zigeuner4 galt - auch in Freiburg
bis weit in die Nachkriegszeit hinein - als ,der Andere4, als Kontrastfolie zu den Werten der
restlichen Bevölkerung.54

Aufgrund dieses Unbehagens standen die ,Zigeuner4 am Rand der Gesellschaft. Im Freiburg
der Nachkriegszeit blieb ihren Kindern bis Mitte der 1960er-Jahre der Schulbesuch verwehrt,
unter anderem aus Sorge vor Krankheiten. Die fehlende Bildung, verbunden mit Ressentiments
der übrigen Bevölkerung, erschwerte den erwachsenen ,Zigeunern4 zudem die Arbeitssuche
und ließ sie zunehmend abhängig von der Sozialhilfe werden.55

Trotzdem war der Umgang mit ,Zigeunern4 lange Zeit weitgehend ordnungsrechtlich geregelt
, d.h. zuständig für diese Menschen waren nicht die Sozial-, sondern die Ordnungsämter
und die Polizei.56 So versuchten Politik und Verwaltung zunächst, die ,Zigeuner4, die ab 1945
in Freiburg sesshaft waren, zu vertreiben. Mangels Gesetzen, die dieses Bemühen unterstützt
hätten, nutzte die Stadtverwaltung verschiedene andere Regelungen, um Lager der , Zigeuner4
zu räumen, zum Beispiel die Landesbauordnung oder das Jugendschutzgesetz - vergebens: Die
,Zigeuner4 blieben in Freiburg.57

Erst Mitte der 1960er-Jahre stellte sich die Stadt Freiburg dieser Realität: Die ,Zigeuner4,
teils seit zwei Jahrzehnten in Freiburg ansässig, wurden nun als Bürger anerkannt, wenn auch
eher unwillig und als Bürger, die nach Ansicht von Politik und Verwaltung noch lernen mussten,
Teil der Gesellschaft zu sein. Zuständig für die ,Zigeuner4 war daher ab 1963 das Sozialamt,
das sogleich damit beauftragt wurde, eine neue Lagerstätte für diese Menschen zu planen.58
Das bisherige Lager befand sich nämlich aufgrund der Vergrößerung der Stadt direkt neben
Wohngebieten der übrigen Bevölkerung. Dieser Umstand verursachte, aufgeladen durch negative
Vorurteile, in der Nachbarschaft massive Sicherheitsbedenken (Abb. 6).59

53 Vgl. Peter Widmann: An den Rändern der Städte. Sinti und Jenische in der deutschen Kommunalpolitik.
Berlin 2001. S. 12.

54
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Vgl. Margalit (wie Anm. 4), S. 23f., 28, 49-56 und 192.

Badische Zeitung, 26./27.4.1975, vgl. Margalit (wie Anm. 4), S. 28, vgl. Neisen (wie Anm. 7), S. 183-192.

Stellungnahme der Rechtsabt., 27.11.1952, und Schreiben der Feldpolizei, 14.5.1954, StadtAF, C5/2609;
vgl. Margalit (wie Anm. 4), S. 55; vgl. Marx-Jaskulski (wie Anm. 1), S. 313.

Stellungnahme der Rechtsabt., 27.11.1952, Empfehlung des Bürgermeisteramts, Abt. III, 11.12.1952,
Schreiben des Regierungspräsidiums Südbaden, 22.10.1953, Schreiben des Stadtjugendamts, 18.12.1954,
Schreiben des Bürgermeisteramts, Abt. I und IV, 27.12.1954, StadtAF, C5/2609; Schreiben des Amts für
öffentliche Ordnung, 6.5.1958 und 19.11.1962, sowie Vorlage an den Verwaltungs- und Finanzausschuss,
4.8.1961, StadtAF, C5/2610; vgl. Margalit (wie Anm. 4), S. 110; vgl. Neisen (wie Anm. 7), S. 183-192;
vgl. Widmann (wie Anm. 53), S. 52 und 101-103.

Beschluss des Bürgermeisteramts, Abt. IV, 6.3.1964, Sozialamt Freiburg, AZ 439-40-5; Schreiben des
Vikars Adalbert Hienerwadel, 28.4.1958, StadtAF, C5/2610; Aktenvermerk des Bürgermeisteramts, Abt.
IV, 27.4.1964, StadtAF, C5/2611; Aktenvermerk des Sozial- und Jugendamts, 10.3.1970, StadtAF, D. So.
Generalia 432; Reimer Gronemeyer: „Hilfe und Eigensinn", in: Eigensinn und Hilfe. Zigeuner in der
Sozialpolitik heutiger Leistungsgesellschaften, hg. von Dems., Gießen 1983, S. 9-16, hier S. 10; vgl. Margalit
(wie Anm. 4), S. 35 und 273f; vgl. Widmann (wie Anm. 53), S. 94f.

Niederschrift über eine Besprechung im Bürgermeisteramt, Abt. III, 15.11.1961, und Aktenvermerk

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