Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 465,da
Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
135.2016
Seite: 206
(PDF, 38 MB)
Bibliographische Information
Startseite des Bandes
Zugehörige Bände
Regionalia

  (z. B.: IV, 145, xii)



Lizenz: Creative Commons - Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0
Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2016/0206
„Solange die Welt steht, ist soviel Blut nicht geflossen". Feldpostbriefe badischer Soldaten aus dem Ersten
Weltkrieg 1914 bis 1918, hg. von dem Landesverein Badische Heimat e.V. und dem Landesverband
Baden-Württemberg im Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V., ausgewählt, mitgeteilt und kommentiert
von Marcel Kellner und Knud Neuhoff (Schriftenreihe der Badischen Heimat 9), Rombach
Verlag, Freiburg/Berlin 2014, X und 381 S, S/W-Abb.

Vorliegende Sammlung reiht sich ein in die Flut von Publikationen und Aktionen zum Jahrhundertgedenken
an den Ersten Weltkrieg im Jahre 2014. Die Absicht des Landesvereins „Badische Heimat" und des
Landesverbandes Baden-Württemberg im „Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge", durch eine „Geschichte
von unten" mit regionalem Bezug den Jetztlebenden eine Ahnung vom mörderischen Geschehen
vor einhundert Jahren zu vermitteln, ist löblich, wenngleich der Quellen- und Erkenntniswert solcher
Selbstzeugnisse im allgemeinen recht begrenzt erscheint. Dies gilt auch für die hier herangezogenen 272
Feldpostbriefe aus einem Konvolut von insgesamt 523 Briefen, also etwa der Hälfte des im Archiv der
„Badischen Heimat" aufbewahrten, durch EU-Finanzierung ab 2012 aufbereiteten und digitalisierten
Bestandes. Hervorgegangen aus einem Aufruf der „Badischen Heimat" im Mai 1915, hauptsächlich initiiert
von John Meier, Gründer des Deutschen Volksliedarchives 1914, und Pfarrer Carl Kistner aus Haslach
, mit der Zielsetzung, die „Einwirkungen des Krieges auf die badische Volksseele" zu dokumentieren
(S. 3), wie auch immer diese geartet sein mag. Diesem Aufruf war kein großer Erfolg beschieden, sodass
im Oktober 1916 unter der Spitzmarke „Sammelt Soldatenbriefe!" erneut die Werbetrommel gerührt
wurde, um ein möglichst breites Spektrum aller Empfindungen und Eindrücke der im Kampfe Stehenden
abbilden zu können. Dieses Ziel konnte bis Kriegsende nicht erreicht werden, zu sehr hatte sich die
Situation an der Front zum Nachteil für die deutsche Seite gewendet. So war der Ertrag dieser Bemühungen
im Vergleich zu den etwa 28,7 Milliarden Feldpostbriefen des Ersten Weltkrieges ein denkbar geringer
, zudem erwiesen sich die desaströsen Verhältnisse der Nachkriegszeit in Verbindung mit den völlig
veränderten politischen Verhältnissen als abträglich für eine weitere Befassung mit dem eingegangenen
Material, das schließlich im Archiv der „Badischen Heimat" in Vergessenheit geriet. Erst die Aktivitäten
der Historiker anlässlich des bevorstehenden Gedenkjahres 2014 führten zu einer Reanimierung dieses
Bestandes, der nun mit digitalen Möglichkeiten aufbereitet und zum Druck vorbereitet werden konnte
und „einen in seinem Umfang bislang einzigartigen Blick in das Seelenleben und die Vorstellungswelten
badischer Soldaten des Ersten Weltkrieges" (S. 16) bietet, so die Editoren der Auswahl.

Vorangestellt dieser Zusammenstellung sind eine einleitende historische Einordnung der Kriegsbriefsammlung
durch den Leiter des Staatsarchivs Freiburg, Kurt Hochstuhl, sowie das Kriegstagebuch eines
18-jährigen Freiburger Seminaristen, das, beginnend mit der Zuspitzung der internationalen Krise am 25.
Juli 2014, bis zum 29. Mai 1915 geführt wurde und dessen Schreiber einen knappen Monat später den Soldatentod
auf dem Schlachtfeld auf der Lorettohöhe erlitt. Die Intensität seiner Erlebnisse im Kriegseinsatz
wird auch dem heutigen Leser eindrucksvoll angesichts seines kurzen Lebens vor Augen geführt.
Nur wenige pathetische, dem damaligen Zeitgeiste und seiner Jugend geschuldete Äußerungen zu Beginn
werden abgelöst durch eine realistische Schilderung des Kommissalltags im 5. Badischen Infanterieregiment
113 mit all seinen Unzulänglichkeiten und Unbilden, dem dann der Einsatz an der Westfront
unvergleichlich größere Beschwerlichkeiten und Widrigkeiten auferlegt, endend mit dem Tod auf dem
Blachfelde. Dieses kontinuierlich geführte Diarium vermag mehr Einblicke in den täglichen Dienstab-
lauf im Feld zu geben als die zumeist geschönten, unter Auslassung der Leiden und Ängste an der Front
an die Lieben in der Heimat versandten Briefe, die, nach Hochstuhl, eine „gefilterte Authentizität" (S. 11)
widerspiegelten. Deren Quellenwert gerade für die Erforschung von Mentalitäten liegt vielmehr in einer
zwar selektiven, jedoch autobiografischen Erfahrungswelt fernab jeglicher literarischer Ambition. Dieser
Wert wird jedoch stark eingeschränkt durch eine innere wie äußere Zensur, die vieles ungesagt lassen
musste. Letztlich vergewisserte sich der Schreiber solcher Briefe immer wieder seiner und seiner Angehörigen
in der Heimat Identität in einem Inferno bis dahin ungekannten Ausmaßes. Zu berücksichtigen
hinsichtlich der Aussagekraft solcher Briefe sind zudem Herkunft, soziales wie berufliches Umfeld und
militärischer Rang der Verfasser. Auch unter diesem Gesichtspunkt unterliegt dieses Quellenmaterial in
seiner Wertigkeit erheblichen Differenzierungen.

206


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2016/0206