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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
135.2016
Seite: 217
(PDF, 38 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2016/0217
In Geleitworten verweisen Dieter Salomon, Oberbürgermeister von Freiburg, und Sven von Ungern
-Sternberg, Präsident des Landesvereins Badische Heimat, behutsam auf schlecht vernarbte Wunden
bei Überlebenden und Angehörigen der Opfer. Weitere Beiträge sorgen für thematische und zeitliche
Tiefenschärfe: Freiburg unter dem Hakenkreuz (Andreas Meckel), Schutzmaßnahmen am Münster (Heike
Mittmann), Jugendliche Dachdecker auf dem Münster (Bernhard Adler), Luftangriffe auf Freiburg
(Carola Schark; die Tabelle reicht vom 10.05.1940, als ein irrtümlicher Angriff der Luftwaffe 57 Menschen
in den Tod riss, über die Katastrophe am 27.11.1944 mit 2.797 Toten, bis zum letzten Angriff am
16.04.1945, wohl ohne Tote; unter Bombenabwürfen und Bordwaffenbeschuss hatten die Freiburger insgesamt
an 44 Tagen zu leiden, vor allem seit September 1944).

Willkommen sind die Kurzbiografien zu Opfern der Angriffe, aber auch zu vom Regime Verfolgten
, ferner zu Männern der Kirche, der Universität sowie zu Nationalsozialisten. Abbildungen laden
zum Betrachten ein. Viele bislang unveröffentlichte Fotos stammen aus Privateigentum; anders als die
Besitzerin, ist die Lieblingspuppe dem Inferno entkommen (S. 117). Andere Fotos werfen Schlaglichter
auf den oft vernachlässigten Alltag: „Not-Aborte", „Schutzraum für 25 Personen" („25" handschriftlich;
S. 226 bzw. 229) oder „Drei Kreuze erinnern an die nicht geborgenen Opfer" (S. 250). Faksimilia veranschaulichen
den Frevel an Juden („Bescheinigung" über abgepresste „Edelmetallgegenstände", 1939;
ein Zeitungsausschnitt zu „Große öffentliche Versteigerung" von Möbeln, Wäsche u.a., 1941; S. 41 bzw.
43). Urkunden verdeutlichen das Funktionieren der Verwaltung bis zum bösen Ende: In Ermangelung
der gebotenen Formulare hat man Vordrucke verwendet, wie sie zur Beurkundung von Geburten noch
vorlagen; „Geburt" ist ausgeixt, darüber „Sterbe" geschrieben und ergänzt um „beim Terrorangriff gefallen
" (S. 138).

Zu bedauern ist das Fehlen eines Registers (Namen, Orte, Sachen) sowie die unbefriedigende Art
der Nachweise zu Kurzbiografien (etwa „aus Freiburg im Ersten Weltkrieg", „aus Helga und ihr Zahn der
Zeit"; S. 111 bzw. 126).

Der Rezensent erlaubt sich, eine Anregung abzuwandeln, die er 2011 in dieser Zeitschrift (130. Jahresheft
, S. 182) vorgetragen hat: Der Oberbürgermeister möge das Buch „Dem Vergessen entreißen"
öffentlich zugänglich machen, zusätzlich das „Gedenkbuch" als Separatdruck in größerer Schrift. Geeignete
Stellen wären das Rathaus, die Pforte des Hauptfriedhofs und der Westturm des Münsters, unterhalb
der Gedenktafel, die zum Frieden ruft. Norbert Ohler

Dirk Schindelbeck: „Wir waren nur verhandelbare Masse". Nachkriegsschicksale aus dem Waisenhaus
in Freiburg-Günterstal, StiftungsVerwaltung Freiburg, Freiburg 2014, 399 S., zahlr. Färb- und S/W-Abb.

Die Zuständigen in Politik, Verwaltung, Kirche und Waisenhaus Stiftung sind „ihrer Verantwortung für
die Kinder im Waisenhaus nicht gerecht geworden". Das räumt Stiftungsdirektor Lothar A. Böhler im
Geleitwort ein. Es ist deshalb höchst verdienstvoll, dass die Stiftungsverwaltung die Studie in Auftrag
gegeben und das Ergebnis öffentlich gemacht hat.

Sorgfältig redigiert und vorzüglich illustriert, ergänzt die Untersuchung die 2013 erschienene „Geschichte
des Waisenhauses in Freiburg-Günterstal" (vgl. die Rezension in dieser Zeitschrift, 134. Jahrbuch
[2015], S. 201). In einer ausführlichen Einleitung, „Was Biographien erzählen", bettet Schindelbeck
das Thema in die wissenschaftliche Literatur und in die Sozialgeschichte der Nachkriegszeit ein. Er
erläutert ungewöhnliche Schwierigkeiten, die zu meistern waren. Da es nur wenige schriftliche Quellen
zum Heim gibt, mussten Aussagen ehemaliger Zöglinge auch dann ernstgenommen werden, wenn
sich Widersprüche ergaben, vor allem bei der Beurteilung des Personals. Im thematisch und zeitlich
geordneten Hauptteil, „Vom Leben im Waisenhaus zwischen 1939 und 1985", kommen 70 Ehemalige
zu Wort. Ordensschwestern, Erzieher, Praktikanten, Hausangestellte und andere werden im Schlussteil
vorgestellt: „Lebens- und Arbeitsort Waisenhaus".

Zeitweilig haben 190 bis 250 Mädchen und Jungen in dem Haus gelebt, insgesamt 2.500 bis 3.000,
die einen für Monate, andere von der frühen Kindheit an bis zur Volljährigkeit. Offenkundig war es für
viele, wenn nicht die meisten, eine Zeit unvorstellbarer Leiden. Doch zunächst zu Lichtseiten, die sich
vielen eingeprägt haben: Weihnachten und die Erstkommunion, das Sommer fest und das Feuerwerk an

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