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Besonders scharf war die verbreitete Kritik an der Amtskirche. Auf dem linken (!) Flügel
des Hochaltars hat Hans Baidung 1516 seine Einschätzung der Papstkirche angedeutet: Petrus
hält krampfhaft die Schlüsselgewalt fest, der Apostelgruppe um ihn sind die Feuerzungen
des Geistes erloschen, die Nimben sind am Verschwinden - ganz anders als bei den geisterfüllten
Männern um den progressiven Paulus rechts von der Mitteltafel. In der Tat trieben die
Päpste um 1500 reine Macht- und Territorialpolitik. Leo X. (Papst von 1513-1521), ein Medici,
war „ein heiterer Genießer, gutmütig und freigebig, ein mäßiger Kopf' laut Josef Bernhart.5
Das Papsttum war offenbar zu einem reinen Macht- und Herrschaftsinstitut geworden. Kein
Geringerer als Leos Nachfolger Hadrian VI. (Papst 1522/23, Abb. 2) bekannte 1523: Viel
Verabscheuungswürdiges gab es beim Hl. Stuhl, Missbräuche in geistlichen Dingen [...], sodass

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sich alles zum Ärgeren verkehrt hat.6 Der römische „Fiskalismus" (d.h. die päpstliche Geldgier)
wie auch die an der Kurie herrschende Korruption („In Rom ist alles käuflich") bewirkten
eine wachsende Abneigung gegen das Papsttum, formuliert u.a. in den heftigen „Gravamina"
der Reichstage. Die Praxis der verfehlten Besetzung geistlicher Ämter mit unwürdigen Leuten
setzte sich bei den Bischöfen fort. Der Episkopat war (wie auch viele Klöster) zum „Spital des
Adels" geworden. Zwei jüngere Brüder des (seit 1769) seligen Bernhard von Baden erlangten
1454/56 höchste Würden schon in jungen Jahren: Johann wurde mit 22 Jahren Erzbischof und
Kurfürst von Trier, der andere mit 26 Bischof von Metz. Das kanonische Alter war 30 oder 35
Jahre! Für die Dispens flössen 30.000 Gulden. Pure Simonie - ohne Einspruch von „Bernhard
dem Guten"! In Konstanz hatten nur wenige Domherren eine Priesterweihe. Und Bischof Hugo
von Hohenlandenberg: Dieser unterhielt einerseits ein enges Verhältnis zur Frau bzw. dann
Witwe des Konstanzer Bürgermeisters. Andererseits rügte er 1517 in einem Hirtenscheiben,
dass die Pfarrer der Diözese mit Beisetzung aller Scham und Gottesfurcht vor jedermanns
Augen Beischläferinnen und verdächtige Weibspersonen in ihren Wohnungen haben [.. .].7 Wenn
in der Diözese Konstanz ein Kleriker ein Kind gezeugt hatte, kostete die Dispens von der fälligen
Kirchenstrafe vier Gulden (sogenannter „Kindspfennig" oder „Milchzehnt"). Der brachte
pro Jahr 6.000 bis 8.000 Gulden Einnahmen im Jahr. Die Gläubigen beschwerten sich vor allem
über die mangelnde Präsenz der Pfarrer, eine Folge der Pfründenhäufung, aber auch ihrer
Arbeit auf dem Pfarrhof mit Vieh, Jagd und Forstwirtschaft. Lauter Gründe für den verbreiteten
„Pfaffenhass".

Die reformatorische Bewegung

In der Ablasspraxis kulminierte gleichsam die ganze Misere der Kirche: a) Die Arroganz der
Kurie, Sündenstrafen vergeben zu können, verbunden mit einem profitablen Geldgeschäft der
Papstkirche; b) die Korruption des Episkopats (für seine Privilegien kassierte z.B. Albrecht von
Mainz die Hälfte des Ablassertrags), und c) die verdinglichte, ja kommerzialisierte Frömmigkeit,
sich für Geld die Erlösung der Seelen zu erkaufen (pro redemptione animarum). Das hat Martin
Luther herausgefordert! Mit der Veröffentlichung seiner 95 Ablassthesen hat er am 31. Oktober

Joseph Bernhart: Der Vatikan als Weltmacht. Geschichte und Gestalt des Papsttums, München 1951, S.
218.

Zitiert von Erwin Iserloh: Der Pontifikat Hadrians VI., in: Handbuch der Kirchengeschichte, Bd. 4:
Reformation, katholische Reform und Gegenreformation, hg. von Hubert Jedin, Freiburg u.a. 1967, S.
106-114, hier S. llOf.

Zitiert aus Konrad Gröber: Die Reformation in Konstanz von ihren Anfängen bis zum Tode Hugos von
Hohenlandenberg (1517-1532), in: Freiburger Diözesan-Archiv 46 (1919), S. 120-322, hier S. 121.

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