Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2017/0063
Hagenmaier aufzeigen, dass sie sich später für die katholische Kirche einsetzten. Wie verworren
die Glaubensfrage war, zeigt der Brief eines Freiburger Bürgers an die städtische Obrigkeit,
der auf das Jahr 1523 oder 1524 zu datieren ist.18 Der Mann verteidigt sich gegen den Vorwurf
der Häresie und schreibt, er habe aus den lutherischen Büchern, die inzwischen „ausgegangen"
seien (d.h. auf Ferdinands Befehl verbrannt wurden), viel Gutes erlernt, wobei er sich mit dem,
was Luther wider das Papsttum schrieb, gar nicht befasst habe. Manche Leute sagten, Luther
lehre, man solle oder dürfe nicht mehr beten, fasten, die Heiligen und die Jungfrau Maria anrufen
, aber die verstünden Luther nicht. Er habe von ihm gelernt, recht (!) zu beten, zu fasten, die
Heiligen und die Jungfrau Maria zu ehren, seinen Oberen gehorsam zu sein, die Gebote Gottes
zu halten. Es gehe ihm aber nicht darum, für Luther einzutreten, sondern nur die Wahrheit zu
bekennen und sich an die Lehre zu halten, die in der Bibel zugrunde gelegt ist.

Noch waren die konfessionellen Grenzen nicht abgesteckt. Luthers Forderung, zu predigen
nach dem Evangelium, fand weithin Zustimmung, doch sollte deshalb nicht gleich die Messe
abgeschafft werden. Ganz offenkundig war der Niedergang der Klöster. In Straßburg und Basel
wurden die Klöster Zug um Zug säkularisiert. Viele Kleriker hielten den Zölibat für nicht mehr
verpflichtend. In Kenzingen wurde Jakob Otter, ein enger Freund von Zasius, 1522 Prediger der
Pfarrkirche. Seiner „evangelischen" (d.h. am Evangelium ausgerichteten) Predigt wegen kamen
die Leute in Scharen in die Kirche, nicht bloß die Frauen, sondern auch viele Männer, sogar
Mitglieder des Rats und selbst der Stadtschreiber, wie es in einer alten Quelle heißt.19 Predigen
hatte er bei Geiler von Kaysersberg gelernt, dem er bis zu dessen Tod als Sekretär gedient hatte.
Reflektiert hat er übrigens wie damals üblich in Latein, gepredigt auf Deutsch. Der Bischof von
Konstanz zitierte den eigenwilligen Priester vor die nächste geistliche Obrigkeit in Freiburg.
An Otters Stelle kam der Kenzinger Stadtschreiber Ludwig Kruß. Er brachte die Bibel mit und
erklärte, nichts anderes habe Otter gelehrt, als was darin stehe. Im Übrigen, so hieß es, hätten,
seit Otter in der Stadt predige, Gotteslästerungen, Trunksucht und andere Laster völlig aufgehört
. 1524 verließ Otter auf Drängen der Regierung Kenzingen. Die Stadt aber musste eine
Besatzung von Freiburger Bewaffneten aufnehmen. Den verbliebenen Anhängern Otters wurde
der Prozess gemacht. Der Stadtschreiber und 7 „Hauptschuldige" wurden in Ensisheim verurteilt
. Der Stadt schreib er musste als „Erzketzer" der Verbrennung der lutherischen Schriften und
der deutschen Evangelien zusehen, worauf man ihm in Gegenwart seiner Frau und seiner Kinder
den Kopf abschlug: Er gilt als der erste Märtyrer der Reformation in Deutschland! Von dem
Pfarrer von Schlatt, Peter Spengler, dem Dekan des Breisacher Kapitels, hieß es zwei Jahre später
, er habe, „beseelt von dem Geiste der neuen Religionslehre, seiner Geistlichkeit das Studium
der Heiligen Schrift und das Lesen der lutherischen Werke auf das dringendste empfohlen."20
Er wurde bei der vorderösterreichischen Regierung in Ensisheim verklagt, als Verführer des
Klerus zum Tode verurteilt und in der III ertränkt. Andere „Abtrünnige" flohen nach Straßburg
oder Basel, so die Pfarrer von Wittnau und von Ballrechten.

Stadtarchiv Freiburg, C 1 Kirchensachen 147 Nr. 23 („Reformation"); Buszello/Mertens/Scott (wie
Anm. 13), S. 36f.

Zu Otter u.a. siehe Ralf Lusiardi: Reformationszeit: Ursachen, Verlauf und Nachwirkungen der evangelischen
Bewegung, in: Die Geschichte der Stadt Kenzingen, Bd. 1: Von den Anfängen bis zur Gegenwart,
hg. von Jürgen Treffeisen, Kenzingen 1998, S. 79-94; Vierordt (wie Anm. 1), S. 171-175.

Albert (wie Anm. 1), S. 70.

63


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2017/0063