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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2017/0183
die komplexen Gegebenheiten des Raumes (Bistümer, Städte und Territorien). „Komplexität" wird in der
Tat zu einem Schlüsselbegriff des ganzen Bandes. Und die Verfasserin bringt noch einen zweiten Begriff
in die Diskussion: „Netzwerke." Er wird direkt aufgenommen von Volker Leppin („Habsburg vor der
Tür"), der auf die enge Netzwerkbildung zwischen den Territorien Württemberg und Vorderösterreich
einerseits und den umliegenden Reichsstädten andererseits hinweist. Er fügt diesem Aspekt ein weiteres
markantes Beispiel von Netzwerk hinzu, das der Reformator Johannes Eberlin aufgebaut hat, indem er
bei seiner Predigttätigkeit unterschiedliche Privathäuser ausgesucht und damit altchristliche Versammlungsformen
außerhalb des gewohnten Kirchenraumes neu belebt hat. Darüber hinaus macht Leppin
auf eine gesellschaftliche Gruppe aufmerksam, die in der Literatur zur Reformation häufig übersehen
wird. Er erinnert an die „reformationsaffinen Gesinnungen der Bauern", denen selbst die Reformatoren
misstrauisch begegneten. Frank Konersmann spricht diesen „christlichen Laien auf dem Lande" eine
eminent wichtige Rolle in der reformatorischen Bewegung zu und wählt als Paradigma das Niederkir-
chenwesen der Pfalz. In einem späteren Beitrag nimmt auch Peter Blickle das Stichwort „Bauern" noch
einmal auf durch eine Analyse der Memminger Bundesordnung vom 7. März 1525.

Im Vergleich zu dem Thema „Reformation auf dem Lande" nimmt erwartungsgemäß die städtische
Reformation einen wesentlich breiteren Raum ein. Dabei rückt vor allem Straßburg durch mehrere Beiträge
in den Mittelpunkt, als traditionsreiche Bischofsstadt, als Freie Stadt des Reiches, als überragender
Ort der evangelischen Bewegung mit Männern wie Jakob Sturm von Sturmeck, Martin Bucer und Johannes
Sturm, als Stätte der Bildung und Schulen und als überragende Druckerstadt, der die Reformation gerade
in ihrer Frühphase viel zu verdanken hat. Ausgewiesene Kenner widmen sich diesen zentralen Themen
des kulturellen Umbruchs in dem bedeutsamen Vorort Straßburg. Aber auch die altera pars wird in
drei Beiträgen klar positioniert; diese beschreiben sowohl die Reaktionen der alten rheinischen Bistümer
Mainz, Worms, Speyer und Straßburg sowie deren Erneuerungsbemühungen in Klerus und Kirchenvolk
als auch die wenig erfolgreichen Verteidigungsstrategien der alten Hochstifte in Konstanz und Basel.

Außerordentlich verdienstvoll ist der Blick, den Paul Warmbrunn und Hermann Ehmer auf den
Hoch- und Niederadel in der Kurpfalz und auf die Reichsritterschaft in den Kantonen Kraichgau und
Odenwald werfen.

Der Band bietet insgesamt ein spannungsreiches Bild dieser komplexen Landschaft am Oberrhein
und bereichert die gerade hier notwendige interdisziplinäre Forschung in hohem Maße.

Eugen Hillenbrand

NS-Belastete aus Südbaden, hg. von Wolfgang Proske (Täter - Helfer - Trittbrettfahrer 6), Kugelberg
Verlag, Gerstetten 2017, 422 S., zahlr. S/W-Abb.

Das vorliegende Werk ist der sechste Band aus der auf zehn Ausgaben ausgelegten Buchreihe „Täter
- Helfer - Trittbettfahrer". Diese wird seit 2010 vom promovierten Heidenheimer Geschichtslehrer Wolf-
gang Proske herausgegeben. In jedem Band werden Lebensläufe der NS-Belasteten einer bestimmten
Region des heutigen Baden-Württembergs detailliert beschrieben.

Im Südbaden-Band porträtieren 19 Autoren 25 Menschen, die in der NS-Zeit zu Tätern, Helfershelfern
oder Trittbrettfahrern wurden. Oftmals handelt es sich um NS-Belastete aus der zweiten oder
dritten Reihe; manche von ihnen kennt heute, selbst auf lokaler Ebene, kaum noch jemand. Doch gerade
diese Personen bildeten laut Proske den „Resonanzboden, der die nationalsozialistische Diktatur erst
ermöglicht hat". Vor der großen Masse der Bevölkerung sorgten sie in unterschiedlichen Funktionen vor
Ort für die Akzeptanz des Unrechtsregimes und hatten damit erheblichen Anteil am Funktionieren des
NS-Systems.

Allen Autoren und dem Herausgeber ist eine faktenbasierte NS-Täterforschung sehr wichtig. Nur
so lassen sich die NS-Belasteten in die von Proske entwickelte und aus dem Buchtitel bekannte Klassifizierung
einteilen. Tatsächlich fallen beinahe alle 25 Artikel durch eine tiefgehende Quellenarbeit auf.
Lediglich die Artikel von Oliver Uthe zum Schweizer Jakob Dichter Schaffner und von Christiane Walesch
-Schneller zu German Josef Schillinger fallen etwas aus dem Rahmen, da von beiden vor allem
Sekundärliteratur verwendet wurde.

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