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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2018/0185
Nationalsozialismus in Hinterzarten

Wie die Familie Riesterer zum Nationalsozialismus stand, ist schwierig zu beurteilen. Aufgrund
der Probleme, die Hermann wegen seiner Homosexualität mit dem Regime hatte oder hätte
haben können, dürfte die Familie dieser Ideologie eher distanziert gegenübergestanden sein.
Hierfür spricht auch die Einquartierung der jüdischen Familie Zwillenberg und der freundliche
Umgang der Hotelleitung, was auch Zwillenberg am 3. Februar 1936 in seinem Tagebuch
festhielt: Die Form war tadellos u. er [d. i. der junge Riesterer] versicherte immer wieder, er
möchte mich nur zufriedenstellen u. seine Mutter habe ihm ausdrücklich angesagt, mich nur ja
zufrieden zu stellen.113 Diese Einstellung passt zum Bild von Olga Riesterer, welches zu ihrem
80. Geburtstag gezeichnet wurde: „Mit ihrer natürlichen Herzlichkeit kümmert sie sich um ihre
Gäste, gleichwohl ob es sich um einfache Besucher oder hohe Häupter handelt. Für alle findet
sie das rechte Wort zur rechten Zeit und besitzt damit eine unschätzbare Gabe."114 Andererseits
stand im Winter 1936 der lokale Stürmerkasten vor dem „Hotel Adler"115 und zu nationalen
Feiertagen wie dem „Tag der nationalen Erhebung" (30. Januar) wurden Hakenkreuzfahnen ge-
hisst116. Das waren aber möglicherweise nur Zugeständnisse, um nach außen hin den Frieden mit
dem Regime zu wahren und den Hotelbetrieb ungestört weiterführen zu können.117 Zwillenberg
selbst hatte ein ambivalentes Verhältnis zum damaligen Regime, denn er fühlte sich trotz aller
Benachteiligungen jüdischer Mitbürger seit der „Machtergreifung" weiterhin als patriotischer
Deutscher, wie er es in seinem Tagebuch mehrfach festhält. Einem Berliner Unternehmer und
NSDAP-Mitglied sagte er zum Beispiel am 11. Juli 1935, daß ich deutsch bis in die Knochen bin
u. solange in Deutschland bleiben werde, bis ich gezwungen werde, Deutschland zu verlassen}1*
Deshalb war es für ihn auch selbstverständlich, am „Tag der Nationalen Erhebung" zu Ehren des
Tages meine Ordensschleife anzulegen.119

113 T08, S. 101.

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118
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BZ (wie Anm. 16). So ähnlich auch in BZ (wie Anm. 31).

T 13, S. 4: der Stürmerkasten steht nicht mehr vor dem etwas abgelegenen Hotel Adler, sondern vor dem

Bürgermeisteramt in der Hauptstraße. Die Wochenzeitung „Der Stürmer" galt als das bedeutsamste antisemitische
Publikationsorgan des „Dritten Reiches". „Im Gegensatz zu den anderen Blättern handelte
,Der Stürmer' fast ausschließlich nur von einem Thema: den Juden. Die Losung ,Die Juden sind schuld4
gehörte zum festen Layout des Titelblatts. [...] Ende des Jahres 1935 hatte der ,Stürmer' seine höchste
Auflagenzahl von 500.000 erreicht"; Karl-Heinz Reuband: Die Leserschaft des „Stürmer" im Dritten
Reich. Soziale Zusammensetzung und antisemitische Orientierungen, in: Historical Social Research
2008/4, S. 214-254, hier S. 214f. Beim Stürmerkasten handelte es sich um eine öffentlich zugängliche Vitrine
, in der man die jeweils aktuelle Ausgabe des „Stürmers" lesen konnte. Sie wurden häufig an Orten
aufgestellt, „wo Menschen vorbeikamen oder sich aufhielten"; ebd., S. 220.

T 08, S. 96, Eine richtige Hakenkreuzfahne reicht bis zu unserem Fenster herunter.
Möglicherweise stand der Stürmerkasten auch deswegen vor dem Wirtshaus „Adler", um so ein Auslegen
des Blattes im Hotel- und Gaststättenbereich vermeiden zu können. Denn gemäß Reuband (wie
Anm. 115), S. 215, lag das Blatt in Hotels, Gaststätten und Cafes auf, wobei nicht sicher ist, ob dies auch
zwangsweise geschah.

T 07, S. 158.

T 08, S. 97. Mit der Ordensschleife war vermutlich jene des Eisernen Kreuzes II. Klasse (EK II) gemeint.

Selbst nach seiner Auswanderung aus Deutschland im März 1939 trug er als Honorarkonsul für Nicaragua
und seit 1948 als Generalkonsul für Nicaragua sowie für San Marino stolz seine im Ersten Weltkrieg
erworbenen Orden: am 09.04.1916 das EK II, am 08.01.1917 das Bayerische Militär-Verdienst-Kreuz IL
Klasse mit Krone und Schwertern sowie am 22.08.1918 die Dienstauszeichnung III. Klasse. Die Land-

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