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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2019/0035
Der linke Arm der Figur steckt unverkennbar in einem Ärmel. Christus müsste aber bis auf das
Lendentuch nackt sein und dürfte bestenfalls in ein Tuch gehüllt sein.

Würde es sich um eine sogenannte „Pietä" handeln (eine trauernde Maria, die den toten
Christus auf dem Schoß hält) fiele das Fehlen des Kreuzes nicht ins Gewicht, da sie in der Regel
als Andachtsbild für sich allein steht. Diese Darstellungsgewohnheit weckt aber Zweifel daran,
dass wir hier eine Pietä vor uns haben, da der eine Schächer vorhanden ist und demnach beides
Bestandteil einer größeren Szene sein muss. Weiterhin sprechen auch die oben angeführten
Stichpunkte in Bezug auf die Kleidung der abgebildeten Personen gegen eine Pietä.

Diese drei Interpretationsvorschläge gehen im Grunde davon aus, dass das Geschehen sich
mehr oder weniger oberhalb der Flachdecke abspielt, bedingt durch die jeweils notwendige
Bildkomposition. Wird stattdessen eine sogenannte „Beweinung" angenommen, ist der Wandbereich
unterhalb davon wesentlich leichter mit einzubeziehen.

Als Beweinung wird eine Art von erweiterter Pietä bezeichnet: Maria betrauert Christus,
weitere Personen wie Maria Magdalena und Johannes versuchen ihr beizustehen. Diese Szene
folgt im Ablauf der Passionsgeschichte chronologisch unmittelbar auf die Kreuzabnahme und
findet in der Regel noch am Ort der Kreuzigung statt. Meist sind die Personen so gruppiert, dass
Maria Christus hält, oft auf dem Schoß wie bei einer Pietä, während die anderen Personen bei
ihr stehen oder knien.

Die Frau im grünen Mantel ließe sich ohne weiteres als Maria Magdalena benennen, die
gerne in modischer Aufmachung dargestellt wird. Die bekleidete Person, die vor ihr kauert und
von ihr gehalten wird, müsste dann Maria sein. Wo aber ist Christus? Die Bildkomposition muss
hier also aus dem Rahmen des Üblichen fallen.

Ein berühmtes Vorbild als Inspiration?

Der Zufall in Form einer Ausstellung über die Holzschnitte Hans Baidung Griens im Augustinermuseum
Freiburg führte auf eine interessante Spur.21

Gewisse Parallelen einiger seiner Stiche mit dem Wandgemälde aus der Johanneskapelle
sind unverkennbar: Eine wild gelockte Haarpracht, ähnlich wie bei der Figur mit dem grünen
Mantel, tritt bei den Frauengestalten in Baidungs Holzschnitten regelmäßig auf, ebenso wie die
Landschaftshintergründe mit kleinen Gebäuden. Auch bei anderen Künstlern dieser Zeit sind
sie gebräuchlich, z.B. bei Albrecht Dürer, bei dem Baidung mehrere Jahre gearbeitet hat.

Ein bestimmter Holzschnitt Baidungs fiel besonders ins Auge: Die „Beweinung Christi",
die um 1515/1517 entstanden ist (Abb. 8).22 Zu dieser Zeit ist Baidung in Freiburg, malt den
Hochaltar und verfertigt weitere Holzschnitte und Entwürfe für Glasmalereien.

Die „Beweinung" des toten Christus ist hier sehr ausdrucksstark interpretiert: In einer Dreierkonstellation
ist eine stehende Maria Magdalena dargestellt, mit erhobenen Händen lamentierend
, mit wilden Locken und gekleidet in ein modisches Gewand. Vor ihr kauert Maria am
Boden und betrauert händeringend den halb am Boden liegenden toten Christus. Als Nebenfiguren
sind ein weinender Johannes und - am oberen Bildrand - die Füße der Schächer zu sehen.

Es spricht einiges dafür, dass wir in Zarten eine ähnlich übereinandergestaffelte Bildkomposition
aus drei Personen vor uns haben (Abb. 9): Maria Magdalena wäre mit der Frauengestalt
im grünen Mantel zu identifizieren, Maria mit der zweiten Figur mit geneigtem Kopf. Abwei-

Haus der graphischen Sammlung im Augustinermuseum, 17.09.2016 bis 15.01.2017.
Hans Baidung Grien. Holzschnitte, hg. von Felix Reusse für die Städtischen Museen Freiburg, Augustinermuseum
, Freiburg 2016, S. 25-27 und Abb. 24.

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