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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2019/0043
giment eintrat.9 Vornan stand die Forderung nach Abschaffung des Zölibats, der sich vor allem
jüngere Kleriker anschlössen.10 In früheren Jahrhunderten hatte, wer derartige Ansprüche formulierte
, eine Strafverfolgung wegen Gotteslästerung zu befürchten. Jetzt aber war im Gefolge
von Aufklärung und französischen Revolutionsideen ein nachhaltiger Wandel eingetreten. Im
Zuge der Liberalisierung waren die Grundlagen eines staatlichen Gottesschutzes schrittweise
aufgegeben worden.11 Dieser allgemeinen Tendenz entsprachen Bestrebungen der Karlsruher
Regierung. So hatte sie mit einer schon im Jahr 1827 beschlossenen Verordnung, die freilich
erst im Jahr 1830 in Kraft trat, eine ganze Reihe von Aufsichts-, Eingriffs- und Schutzrechten
über und in den kirchlichen Bereich eingeführt.12 Den Gegenpart vertrat in Freiburg eine konservativ
-christliche Parteiung, die sich um den Domkapitular und Professor Johann Leonhard
Hug geschart hatte, maßvoll unterstützt von Erzbischof Bernhard Boll (Abb. 2).13 Auf dieser
Seite wollte man an überkommenen Formen der Kirche festhalten. Von da ging denn auch Widerstand
aus gegen die Person Reichlins, der aus seiner reformfreudigen Gesinnung nie einen
Hehl gemacht hatte, Papsttum und Unfehlbarkeitsanspruch kritisch hinterfragend. Nachdem
jedoch die Fakultätsmitglieder am Ende Reichlins Nominierung zustimmten, konnte dieser im
Februar 1828 durch großherzogliche Entscheidung zum außerordentlichen Professor der Theologie
ernannt werden. Sein Gehalt betrug nunmehr 800 Gulden. Als er im nächsten Jahr um
Anhebung zum Ordinarius einkam, stieß er bei den Konservativen wiederum auf Ablehnung.
Bewegung kam in die Angelegenheit, als seitens der Universität Gießen ein Ruf an Reichlin und
einen weiteren Freiburger Kollegen erging. Der drohende Weggang zweier Lehrer veranlasste
Welcker, eilig beim Ministerium in Karlsruhe zu intervenieren mit dem Ergebnis, dass Reichlin
im Januar 1830 die Stelle eines ordentlichen Professors an der Freiburger Universität übertragen
wurde. Schon bald danach wählte man ihn zum Dekan.

Reichlin war ein vielseitig interessierter, redegewandter Dozent. Hundert und mehr Hörer
fanden sich zu seinen Vorlesungen ein. Freimütig vertrat er seinen Standpunkt, der von der traditionellen
Glaubenslehre abwich. Als dies zu einer anonymen Anzeige führte, sahen sich 109
Theologen der Fakultät zu einer schriftlichen Ehrenerklärung veranlasst, handle es sich doch
um eine falsche Anschuldigung.14 Einmal wollten die Studenten ihrem verehrten Lehrer einen
Fackelzug darbringen, was jedoch seitens der Universität verboten wurde. Reichlin entschloss

Heinrich Amann (1785-1849), vgl. Alexander Hollerbach: Zur Geschichte der Vertretung des Kirchenrechts
an der Universität Freiburg im Breisgau im 19. Jahrhundert, in: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für
Rechtsgeschichte, Kanonistische Abteilung, Bd. 90 (1973), S. 343-382, hier S. 348-350; Karl von Rotteck
(1775-1840), vgl. Wolfgang Hug: Karl von Rotteck. Professor und Politiker, 1775-1840, in: Lebensbilder
aus Baden-Württemberg 20 (2001), S. 166-206; Karl Theodor Welcker (1790-1869), vgl. Emanuel Leser:
Karl Theodor Hecker, in: Badische Biographien, 2. Teil, hg. von Friedrich von Weech, Heidelberg 1875,
S. 440-448.

Heinrich Maas: Geschichte der katholischen Kirche im Großherzogtum Baden, Freiburg 1891, S. 47 und
56.

Christoph Lung: Strafbare Blasphemie, Tübingen 2019, S. 14.

Verordnung vom 30.01.1830, Regierungsblatt 1830, S. 13, bestimmte in § 4, Abs. \\Die vom Erzbischof...
ausgehenden allgemeinen Anordnungen, Kr eis schreiben an die Geistlichkeit und Diözesanen [...] unterliegen
der Genehmigung des Staates. Ein eindrucksvolles Beispiel bietet die Aufforderung des Ministeriums
für Kultus und Unterricht von 1871, in die allgemeinen gottesdienstlichen Gebete fortan Fürbitten
aufzunehmen für den deutschen Kaiser und das kaiserliche Haus, GLA, 235/2.

Bernhard Boll (1756-1836), anfangs Jesuit, dann Zisterzienser, Münsterpfarrer in Freiburg, ab 1827 Erzbischof
, vgl. Friedrich Kössing: Bernhard Boll, in: Badische Biographien, 1. Teil, hg. von Friederich von
Weech, Heidelberg 1875, S. 108-114; König (wie Anm. 7), S. 298 und 301.
Eugen Säger: Die Vertretung der Kirchengeschichte in Freiburg, Freiburg 1952, S. 140.

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